Wahrscheinlich dürfte es inzwischen jedem Leser und jeder Leserin von KOST klar sein: Ich liebe Wochenmärkte. Egal ob hier in Hamburg, zuhause in Süddeutschland oder auch im Urlaub. Aber für einen ausgedehnten Marktbesuch braucht man vor allem eines: Zeit. Und wenn am Wochenende alle unterwegs sind, geht der Kontakt mit den Erzeugern im Trubel des Marktgeschehens oft unter und man drängelt sich mehr von Stand zu Stand, statt die Vielfalt des Angebots zu genießen. Die sogenannten „Food Assemblies“ wollen genau hier ansetzen und eine Möglichkeit bieten, auch ohne großen Aufwand in Kontakt mit Erzeugern zu treten und nebenbei auch noch bequem die Einkäufe erledigen zu können. Für Kost habe ich mir das Konzept mal genauer angeschaut und mich mit Alex Meyer getroffen, der die erste Food Assembly in Hamburg organisiert.

„Ich glaube daran, dass auch ein anderes Wirtschaften – abseits von Supermarkt und Großhandel – möglich ist. Und wir müssen wieder einen Bezug dazu bekommen, wo unser Essen herkommt.“

Food Assembly – das erste Mal bin ich bei meinem Besuch auf dem Milchhof Reitbrook auf diesen Namen gestoßen. Jan-Hendrik Langeloh erwähnte das – mir damals unbekannte – Konzept in einem Nebensatz. Jetzt, ein paar Monate später, stehe ich im Eingangsbereich des Kulturzentrums „Fabrik“ in Ottensen und besuche meine erste Assembly, die dort seit 7 Wochen jeden Samstag parallel zum Nachbarschaftsmarkt „Marktzeit“ stattfindet. Organisiert wird die erste Hamburger Assembly von Alex Meyer, der eigentlich Kameraassistent und Cutter bei einer Filmproduktion ist. Auf die Frage, warum er nun auch Food-Assembly-Gastgeber ist, antwortet Alex kurz und knapp: „Weil ich daran glaube, dass auch ein anderes Wirtschaften – abseits von Supermarkt und Großhandel – möglich ist. Und wir wieder einen Bezug dazu bekommen müssen, wo unser Essen herkommt“. Und genau das ist auch das Ziel der Assemblies: Erzeuger und Verbraucher zusammenzubringen.

Die Assembly in der Marktzeit hat inzwischen rund 300 Mitglieder, von denen einige auch schon zu wöchentlichen Stammkunden geworden sind. Das Angebot umfasst derzeit 6 Erzeuger, die Fleisch, Milch und Milchprodukte, Gemüse, Eier, Honig und mehr anbieten. In Kürze kommen wahrscheinlich noch zwei weitere Erzeuger dazu. Ein Bäcker ist leider noch nicht dabei, aber danach sucht Alex schon fleißig. Grundlegendes Kriterium bei der Auswahl der Erzeuger ist dabei immer die Regionalität. Sicher spielen Themen wie Bio-Qualität oder zumindest die biologische Herstellung auch eine Rolle bei der Auswahl, aber durch die Assemblies sollen vorrangig die Wege kurz gehalten werden. Und auch kleineren Landwirten, die nicht unbedingt einen eigenen Marktstand betreiben können oder wollen, soll es so ermöglicht werden, ihre Produkte ohne Zwischenhändler an uns Verbraucher zu verkaufen.

Wie funktioniert das Konzept Food Assembly?

Für Verbraucher ist das System der Food Assemblies denkbar einfach: Man muss sich nur auf der Website foodassembly.de anmelden und einer Assembly in seiner Nähe beitreten. Danach wird man automatisch benachrichtigt, sobald ein neuer Verkauf startet und kann dann online shoppen: Kartoffeln von einem Erzeuger und etwas Fleisch oder Milch vom anderen Bauern werden einfach in den virtuellen Warenkorb gelegt und auch direkt bezahlt. Jetzt muss man nur noch eines tun: Zur wöchentlichen Verteilung gehen und die bestellten Waren abholen. Dort hat man dann auch noch die Möglichkeit, sich direkt mit den Erzeugern, die meist auch selbst vor Ort sind, auszutauschen. Und das Schöne beim Food Assembly-Konzept: Es gibt keinen Mindestumsatz, Mitgliedsbeitrag oder Lieferkosten. Man kauft von Woche zu Woche einfach das, was man benötigt.

Woher kommen die Food Assemblies?

Gegründet wurden die Food Assemblies in Frankreich. Dort hat sich unter dem Namen „La Ruche Qui Dit Oui!“ im Jahr 2010 ein Team zusammengeschlossen, um ein nachhaltiges Konsumverhalten und eine Grundlage für eine gesunde Esskultur zu fördern. Inzwischen gibt es in Frankreich rund 800 „Ruches“ und auch in Deutschland und weiteren europäischen Ländern fasst die Idee langsam Fuß. In Berlin gibt es zum Beispiel schon rund 20 Assemblies in verschiedenen Stadtteilen und ein 6-köpfiges Deutschland-Team, das die Assemblies und deren Gastgeber organisatorisch unterstützt. In Hamburg ist die Veranstaltung in Ottensen die bisher erste Assembly. Eine weitere in Bergedorf befindet sich aber gerade im Aufbau und auch in Kiel wird es bald die erste Assembly geben.

Das Team in Frankreich kümmert sich währenddessen um die kontinuierliche Weiterentwicklung der Online-Plattform. Dafür werden 8,35% der Assembly-Umsätze an die Organisation abgeführt. Der Gastgeber als örtlicher Veranstalter erhält denselben Prozentsatz als Aufwandsentschädigung und für Investitionen in Marketing und die Akquise neuer Erzeuger. Die restlichen 83,3% landen direkt bei den Erzeugern. Aber das ist noch nicht alles.

Und wie profitieren die Erzeuger von den Food Assemblies?

„Wenn ich eine Schlachtkuh an den Großhändler verkaufe, bekomme ich nur ein Drittel des Preises, den wir in der Direktvermarktung erzielen können.“

Wie eingangs erwähnt, bieten die Food Assemblies uns Verbrauchern die Möglichkeit, schnell und unkompliziert „direkt ab Hof“ einzukaufen. Aber inwiefern profitieren die Erzeuger davon? Diese Frage habe ich auch Martin Prignitz vom Gestüt Kollmoor gestellt, der bei der Hamburger Assembly Rindfleisch und Bratwürste vertreibt. Für ihn ist die Sache klar: „Die Direktvermarktung und das Vorbestellungs-Prinzip bieten uns verschiedene Vorteile – allen voran natürlich den finanziellen. Durch das Ausschalten der Zwischenhändler können wir einfach mehr für unsere Produkte erlösen. Wenn ich eine Schlachtkuh an den Großhändler verkaufe, bekomme ich nur ein Drittel des Preises, den wir in der Direktvermarktung erzielen können.“ Für das Gestüt ist die Direktvermarktung der einzige Weg, nachhaltig und extensiv arbeiten zu können. Würden sie ihr Fleisch nur in den Großhandel geben, wäre es nicht möglich, die Rinder frühestens mit drei Jahren zu schlachten (konventionell gehaltene Rinder werden oft schon nach 18 Monaten geschlachtet) und sie bis dahin nur mit Heu und eigener Silage zu füttern.

Aber neben dem Aspekt der Direktvermarktung bietet die Food Assembly auch eine Infrastruktur, auf die die Erzeuger setzen können. Für einen Marktbesuch benötigt man als Erzeuger einen Stand sowie Personal für mindestens einen halben Tag, und muss eine Standgebühr entrichten. Und man weiß vorab nicht, wie viel man verkaufen wird. All diese Belastungen entfallen bei der Food Assembly. Die Erzeuger legen einfach Woche für Woche auf der Website ihr Angebot und ihre Preise fest, bevor der Online-Verkauf startet. Dadurch entsteht Planungssicherheit und eine maximale Transparenz. Martin Prignitz sieht zwar noch Potential bei der Zahl der Kunden, aber investiert gerne in der Anfangsphase der Hamburger Assembly – weil er fest daran glaubt, dass das Konzept zukunftsfähig ist.

Wie geht es mit den Food Assemblies weiter?

Wenn man einen Blick nach Frankreich (800 Assemblies) oder Belgien (84 Assemblies) wirft, wird einem direkt klar, dass in Deutschland noch viel Potential da ist. Aber genau das ist die Stärke des Assembly-Konzepts. Jeder kann Gastgeber werden und in seiner Nachbarschaft eine Assembly eröffnen. Rund 10–15 Stunden pro Woche steckt zum Beispiel Alex in den Aufbau der ersten Hamburger Assembly. Ein schöner Nebenjob für alle, denen Regionalität und Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln am Herzen liegen. Solltet ihr Interesse haben, eine Assembly in Hamburg aufzubauen, dann dürft ihr euch gerne an Alex wenden. Oder natürlich direkt an das Deutschland-Team von Food-Assembly in Berlin.

Also los, egal ob als Gastgeber oder Mitglied in der Assembly eures Viertels: Schüttelt euren Bauern die Hand und versorgt euch mit besten Lebensmitteln direkt vom Erzeuger!

Die Food Assembly Hamburg-Marktzeit findet derzeit immer samstags von 11-13 Uhr in Hamburg-Ottensen statt.

Food Assembly Hamburg-Marktzeit
Barnerstraße 36
22765 Hamburg

Der Verkauf für die jeweils kommende Woche startet in der Regel am Sonntag und ist bis Donnerstag, 23.59 Uhr geöffnet. Ihr habt also fast die ganze Woche Zeit, euch einen leckeren Wochenend-Einkauf zusammenzustellen. Meldet euch einfach unverbindlich auf der Website an und probiert es mal aus:

https://foodassembly.de/
https://www.facebook.com/foodassemblyHH/

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Moin, Peter mein Name. 32 Jahre alt, Wahlhamburger mit süddeutschen Wurzeln und der Kopf hinter Kost. Ich poste mein Essen schamlos auf Instagram und wenn du mich loswerden willst, kannst du mich gerne auf jedem x-beliebigen Wochenmarkt aussetzen. Dann bin ich erstmal ein paar Stunden beschäftigt...

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