Ich koche schon immer gern für Freunde. Und da diese auch immer wiederkommen, scheint es ihnen auch zu schmecken. Bisher spielte sich das aber immer im kleineren Rahmen ab. Höchstens 6–8 Personen, höchstens drei Gänge. Vor ein paar Wochen hat es mich dann mal wieder in den Fingern gejuckt – und zwar so sehr, dass ich mich fast übernommen habe. Vier Gänge für 12 Personen auf 44qm Wohnfläche sind dann doch eine mittelgroße logistische Herausforderung. Warum ich ein solches Essen dennoch wieder machen möchte und welche wertvollen Erfahrungen ich gesammelt habe, erfahrt ihr hier.
Als ich bei Facebook auf „Event erstellen“ klickte und gut 15 Freunde auf die „Gästeliste“ setzte, war mir zugegebenermaßen noch nicht ganz klar, was ich mir damit eingebrockt habe. Das letzte größere Menü war schon viel zu lange her (das obligatorische Osterlamm) und ich hatte einfach verdammt viel Lust. Durch die Arbeit für KOST habe ich mich in den letzten Monaten nochmal deutlich intensiver mit dem Thema „Essen“ auseinandergesetzt und wahnsinnig viel gelernt. Und das wollte ich an diesem Abend Ende Oktober dann auch in die Praxis bzw. auf den Teller bringen.
Erste Ideen für das Essen gab es zum Zeitpunkt der Einladung bereits, aber wirklich fix war noch nichts. In den Wochen vor dem Essen gab es in meinem Kopf unzählige Änderungen. Was passt besser zur Vorspeise? Der Fisch oder etwas in Richtung Tatar? Wo bekomme ich Zutat X her? Gibt es einen Plan B, falls irgendwas nicht hinhauen sollte?
In der Veranstaltungsbeschreibung sprach ich vollmundig von „3–4 herbstlichen Gängen“ – zum Selbstkostenpreis, versteht sich. Und da man beim ernsthaften Verfolgen von Hobbys ja zur Übertreibung neigt, wurden es dann letztendlich vier Gänge, inklusive aller Getränke für schmale 40€ pro Person. Vorneweg zusätzlich noch etwas selbstgebackenes Brot mit Aufstrichen. Und danach noch die obligatorische Käseplatte. Und weil das alles noch nicht genug ist, habe ich mich beim Hauptgang nach langer Überlegung gegen das gut vorzubereitende Schmorgericht und für Rosagebratenes entschieden. Wenn schon, denn schon!
Aber es gab auch einen Lichtblick. Zu meinen Gästen zählten glücklicherweise Stephanie, die Sommelière, und Max – seines Zeichens Craft Beer-Experte und -Händler bei Beyond Beer und Brausturm. Zumindest um die passenden Getränke musste ich mir also keine Sorgen machen. Und während die beiden schon vorab einen Einblick ins Menü bekamen, mussten sich die restlichen Gäste vorerst mit einem kleinen Teaser zufrieden geben:
Inzwischen ist das Essen verdaut, die leeren Flaschen wurden zum Altglascontainer gebracht und ich stelle mich inzwischen wieder gerne länger in die Küche. Denn das muss ich zugeben: In den zwei Wochen nach dem Menü habe ich mich erstmal auf einfachere Küche besonnen 😉 Und bevor es an die Planungen fürs Weihnachtsmenü geht, möchte ich den Abend nochmal für euch Revue passieren lassen und die verschiedenen Gänge vorstellen:
Die Vorbereitungen
Dass ein Essen dieser Größenordnung viel Arbeit mit sich bringt, war mir natürlich klar. Vorausschauend hatte ich mir deshalb zusätzlich zu meinem freien Freitag noch den Donnerstag freigenommen. Ein bisschen Puffer schadet ja nie. Einzelne Vorbereitungen und den Einkauf hatte ich mir auf die beiden Tage aufgeteilt:
Donnerstag: erstmal in den Edeka ums Eck. Und noch kurz zum Gemüsehändler. Nachmittags wurde dann der Hirschkalbsrücken geliefert – natürlich am Stück. Den galt es dann auch erstmal auszulösen und zu parieren. Knochen rösten, Fond ansetzen.
Freitag: morgens auf den Isemarkt. Ich hatte in der Vorwoche schon einige Dinge vorbestellt und ausgekundschaftet, an welchem Stand ich welche Zutaten besorgen muss. Nachmittags wurde der Brotteig angesetzt, Sanddorngel und Petersilienöl zubereitet, Pistazien karamellisiert und das Wohnzimmer umgeräumt und eingedeckt. Und abends um halb 12 fiel mir dann ein, dass ich ja noch die Gläser und das Besteck polieren könnte.
Samstag: Aufstehen und erstmal den Ofen vorheizen. Brot backen und auskühlen lassen. Den Nachtisch anrühren und ins Eisfach geben. Mis-en-place für den Abend vorbereiten. Und zwischendurch noch kurz zwei Kartons Gläser im Weinladen abholen. Kurz nach 17 Uhr nochmal unter die Dusche gesprungen. 17 Uhr 45: Der erste, überpünktliche Gast klingelt. Es geht los.
Ich habe mir Mühe gegeben, alles bestmöglich vorzubereiten. Und bin eigentlich auch (fast) im Plan. Nur für den zweiten Gang wollte ich eigentlich noch die Zwiebeln dünsten. Egal, dann mach ich das später. Stephanie verspätet sich um ein paar Minuten. Eigentlich kein Problem, nur hat sie leider noch den Aperitif-Sekt im Rucksack. Im Kühlschrank finde ich zum Glück noch eine Flasche Crémant de Jessy, die den Gästen erstmal gereicht wird. Kurze Zeit später sind wir auch vollzählig und es geht jetzt wirklich los.
Vorab: Brot / Butter / Tomate
Als kleinen Snack vorab gibt es Brot. Selbstgebacken im gusseisernen Topf. Beim Rezept für das Brot habe ich mich am No-Knead-Bread von Kuriositaetenladen.com orientiert. In der Vorwoche hatte ich schonmal ein Testbrot gebacken, das aber noch etwas fad schmeckte (die Mengenangaben musste ich auf meinen Topf etwas hochrechnen). Dieses mal also etwas mehr Salz. Punktlandung – außen knusprig, innen saftig und grobporig. Dazu gab es Rote-Beete-Butter und ein Chutney aus grünen Tomaten.
Für die Butter hatte ich einfach eine Beete neben dem Brot im Ofen gegart. Danach habe ich sie grob gewürfelt und etwas ausdampfen lassen. Zusammen mit Butter, etwas Muskat, einem Spritzer Zitrone und Salz / Pfeffer wurde dann alles fein püriert und in kleinen Förmchen kaltgestellt. Die Beete gibt der Butter eine wunderbare erdige Komponente, während die Zitrone eine gewisse Frische reinbringt. Beim Tomatenchutney habe ich es mir leichter gemacht: Hiervon hatte ich noch ein Glas im Schrank stehen – gekauft bei meinem Besuch bei den Tomatenrettern in Reitbrook. Erst nach dem Essen fiel mir auf, dass es die einzige Komponente war, die ich nicht selbst gemacht habe.
1. Gang: Chicorée / Petersilie / Walnuss
Die Inspiration zu den ersten beiden Gängen stammt von meinem bisher einzigen Besuch in einem Sternerestaurant – dem Nobelhart & Schmutzig in Berlin. Dort wurde unter anderem die Kombination Chicorée und Petersilie serviert und das ist irgendwie hängen geblieben. Das leicht Bittere des karamellisierten Chicorée und der konzentrierte Petersiliengeschmack bilden einen schönen Kontrast zueinander. Während in Berlin der Gang noch deutlich reduzierter war (aber mit einer Petersiliencréme, deren Konsistenz ihresgleichen suchte) hab ich noch eine kleine Kugel aus Ziegenfrischkäse ergänzt, die abschließend noch in gerösteten Walnüssen gewendet wurde. Am Ende dann noch etwas frische Kresse – et voilá.
2. Gang: Saibling / Zwiebel / Dill
Auch der zweite Gang war geprägt von Micha Schäfers Küche aus dem Nobelhart & Schmutzig. Allerdings hatte ich hier dank der Effilee sogar eine Rezeptvorlage. Den Saibling hatte ich auf dem Markt besorgt, dort gibt es einen Stand der Bio-Forellenzucht Benecke aus Lüneburg. Fast roh, nur etwas von oben angegart und mit brauner Butter bestrichen. Das ganze auf Zwiebeln, die mit Weißwein eingekocht und mit getrockneten Dillblüten abgeschmeckt wurden. Dazu gab es noch einen kleinen Löffel eingelegte Senfsaat und etwas Senfkresse. Auch hier wieder: weniger ist mehr und der zarte Fisch harmonierte gut mit den süßlich-sauren Zwiebeln.
Das war dann auch der erste Gang mit doppelter Getränkebegleitung: Neben dem „Saulheimer Weißburgunder“ von Max Dexheimer gab es mit dem „Quelle Farmhouse Ale“ von Beavertown auch ein Bier. Beides absolut würdige Begleiter für diesen kleinen Zwischengang.
3. Gang: Hirsch / Polenta / Möhre
Während es bei den ersten beiden Gängen hauptsächlich in der Vorbereitung arbeits- und zeitintensiv war, das eigentliche Kochen und Anrichten sich aber in Grenzen hielt, musste beim Hauptgang alles auf den Punkt fertig werden. Den Hirschkalbsrücken, den ich bereits am Donnerstag von Jäger und Wildfleisch-Händler Johann von Frankenberg aus dem Herzogtum Lauenburg geliefert bekam, hatte ich zwar schon ausgelöst und pariert und der Gewürzrub aus Nelken, Zimt, Pfeffer, Wacholder, Anis und Piment hatte ebenfalls seit dem späten Nachmittag seinen Geschmack langsam an das Fleisch abgegeben. Auch die Möhren waren schon gewürfelt und vorgegart und die Soße aus Wildfond, Heidelbeersaft sowie Rot- und Portwein war fertig und musste nur noch abgebunden werden. Also alles easy? Mitnichten. Fleisch kurz anbraten, ab in den Ofen zu den 12 Tellern, Polenta ansetzen, Soße finalisieren und abschmecken, das Möhrengemüse in Butter schwenken und mit frisch gemörsertem Kardamom würzen. Und das alles auf meinem alten 50cm-Gasherd.
Da waren sie, die Grenzen meiner Küche und Koordinationsfähigkeit: Der Ofen hatte mit den vielen Tellern so stark zu kämpfen, dass der Hirsch deutlich länger brauchte, um auf die gewünschte Kerntemperatur zu kommen. Also Polenta von der Hitze und dann nochmal mit etwas Milch cremig rühren. Und gleichzeitig aufpassen, dass die Möhren nicht zu weich werden. Aber letztendlich hat – auch dank der Hilfe von den beiden Gästen David und Jan-Hendrik beim Anrichten und Servieren – alles geklappt. Der Hirsch kam durch und durch rosa aus dem Ofen (auch weil die Teller die direkte Hitze von unten abgehalten haben), die Polenta wurde auf den heißen Tellern nur ein kleines bisschen zu fest und das Möhrengemüse hatte eine wunderbare Kardamom-Note. Puh, da kommt man doch ganz schön ins Schwitzen…
4. Gang: Pistazie / Petersilie / Sanddorn
Das Dessert ist eigentlich immer mein Endgegner. Bis ich vor kurzem auf das Pistazien-Parfait-Rezept von der Kitchen Guerilla gestoßen bin. Trotz meiner ausgeprägten Rührschüssel- und Küchenwaagenphobie ist dieses Rezept mit überschaubarem Aufwand vorzubereiten. Damit es aber trotzdem nicht langweilig wird, habe ich mich hier an eine Kombination gewagt, von der ich mir nicht sicher war, ob sie funktionieren würde: Angerichtet wurde das Parfait auf einem Spiegel selbstgemachtem Petersilienöl. Um das Fett nicht überhand nehmen zu lassen, gab es als sauren Kontrast noch Sanddorn-Gel dazu. Dazu habe ich einfach Sanddornmark von der Insel Rügen mit Wasser und Zucker aufgekocht und mit Agar-Agar abgebunden. Die Säure des Sanddorns war ein schöner Kontrast zum cremigen Parfait und dem kräuterigen, leicht salzigen Öl. Ein Tropfen steirisches Kernöl und geriebene Pistazien komplettierten das Dessert.
Danach: Käse
Das ist eigentlich gelogen – den Käse gab es natürlich nicht direkt nach dem Dessert, da waren erstmal alle satt. Zunächst wurde noch die ein oder andere Flasche Wein geköpft und ein-zwei Whisky und Gin Tonic flossen als Digestif auch noch durch die Kehlen. Erst später, als dann doch wieder ein kleiner Appetit aufkam, habe ich noch die Käseplatte rausgeholt. Darauf fanden sich verschiedene Käse von Jamei Laibspeis aus Kempten im Allgäu, die ich auch bald dort besuchen werde. Zusätzlich hatte ich noch etwas alten Gouda und milden Gorgonzola auf dem Isemarkt besorgt. Und obwohl niemand mehr wirklich Hunger hatte, musste ich das Käsebrett dann doch nochmal nachfüllen. Scheint also auch ganz gut geschmeckt zu haben.
Das Fazit: Ist der ganze Aufwand es wert?
Darauf gibt es nur eine Antwort: Ein ganz klares JA! Sicher war es anstrengend, tagelang in der Küche zu stehen und vorzubereiten. Am Abend alles auf den Punkt fertig zu bekommen und nebenbei auch noch ein bemühter Gastgeber zu sein. Am nächsten Morgen (eigentlich eher Mittag) noch die restlichen Gläser zu spülen. Aber das war es verdammt nochmal wert! Es war ein wunderbarer Abend in bester Gesellschaft, mit leckerem Essen und guten Getränken. Als die letzten Gäste dann Sonntagmorgen gegen 4:30 Uhr den Heimweg antraten, bin ich glücklich ins Bett gefallen. Ob ich mal wieder sowas mache? Ganz sicher. Und vielleicht wage ich es sogar, das Ganze dann mal (halb-)öffentlich zu machen und auch fremde Personen über meine Kochkünste urteilen zu lassen. Also ich hätte Bock!
Ein großer Dank geht noch an meine wunderbaren Gäste raus – für die Hilfe beim Umräumen der Wohnung, beim Spülen, beim Aufräumen, bei der Getränkebegleitung und für die tollen Fotos: Danke Charlotte, danke Dena, danke Stephanie, danke Max, danke David, danke Jan-Hendrik!
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