Jeder von uns stand wahrscheinlich schon mal im Supermarkt oder in der heimischen Küche und hat die Zutatenliste auf der Verpackung eines beliebigen Produktes gelesen. Neben den Hauptzutaten sind dort auch oft E-Nummern oder Begriffe, die scheinbar aus dem Chemie-Leistungskurs kommen, zu finden. Oder wisst ihr genau, was sich hinter Begriffen wie „Lactoperoxidase“ oder „Maltodextrin“ verbirgt? Eben. Ich auch nicht. Daher bin ich losgezogen und war im Deutschen Zusatzstoffmuseum auf dem Hamburger Großmarktgelände. Wenn man irgendwo Informationen zu diesem Thema bekommen sollte, dann hier. Und dank der Antworten von Museumsleiter Christian Niemeyer verstehe ich jetzt zumindest ein bisschen besser, was auf den Etiketten steht.
An diesem späten Freitagvormittag ist der größte Trubel auf dem Hamburger Großmarkt bereits vorbei. Nur vereinzelt schieben Gabelstapler Paletten durch die Gegend oder ein LKW rangiert an eine Laderampe. Ich stehe vor einem Drehkreuz und dem verschlossenen Tor Nord des Großmarktgeländes. Aber schnell finde ich die Klingel des Deutschen Zusatzstoffmuseums, über deren Gegensprechanlage mich Museumsleiter Christian Niemeyer herzlich begrüßt und durch das Drehkreuz passieren lässt.
Einmal quer über das Gelände gelaufen stehe ich dann auch schon im Eingangsbereich des Museums und werde von Herrn Niemeyer in Empfang genommen. Der studierte Biologe leitet seit acht Jahren das kleine Museum. Nach der herzlichen Begrüßung beginnen wir auch direkt mit einem kleinen Rundgang durch die Räume. Das Museum ist zwar wahrlich nicht riesig, aber mit Liebe zum Detail gestaltet. So schließt sich zum Beispiel direkt an den Eingangsbereich ein Gang an, an dessen Wand die Geschichte der Zusatzstoffe von der Antike bis Heute mit einem liebevoll illustrierten Zeitstrahl skizziert wird.
Und auch im Hauptraum der Ausstellung wird dem abstrakten Thema „Zusatzstoffe“ sehr lebensnah begegnet: Er ist gestaltet wie ein konventioneller Supermarkt. An verschiedenen Stationen kann man sich dort über die einzelnen Produktgruppen und die Zusatzstoffe darin informieren. Und wer am Eingang einen Einkaufskorb mitgenommen hat, kann an den Stationen verschiedene „Produkte“ in Form von Kunststoffsilhouetten in seinen Korb legen und am Ende der Ausstellung an der Zusatzstoffkasse scannen. Daraufhin erhält man einen klassischen Kassenzettel – doch statt der Preise sind die enthaltenen Zusatzstoffe aufgelistet. Und so viel sei vorab verraten: Selbst mit einer Handvoll Produkte im Einkaufskorb kommt da ganz schnell eine ziemlich lange Liste zusammen…
Nach dem Rundgang durch die verschiedenen Räume setzen wir uns in einen Nebenraum und beginnen das Interview:
Herr Niemeyer, zum Start die wahrscheinlich offensichtlichste Frage: Wie kommt man dazu, so etwas Exotisches wie ein Zusatzstoffmuseum zu eröffnen?
Also eröffnet habe ich es selbst nicht, ich bin erst 2009 dazugekommen. Das Museum selbst wurde bereits ein Jahr davor von der Hamburger Lebensmittelstiftung gegründet. Diese hatte als Träger des Museums die Idee, der Allgemeinheit mehr Wissen über Lebensmittel und Zusatzstoffe zu vermitteln. Und der Ansatz, das Ganze in Form eines Supermarktes zu machen, hat das Vorhaben sehr greifbar gemacht. Denn klassische Chemie ist immer der Stoff, der im Schulunterricht hinten runter fällt. Je nach Lehrer interessieren sich da nur eine Handvoll Schüler wirklich, der Rest sieht es als ungeliebte Pflichtveranstaltung an. Über die reine Chemie könnte man das Wissen über Zusatzstoffe also nur schwer vermitteln. Der Supermarkt hingegen konfrontiert die Besucher mit einer bekannten Situation und ihrem täglichen Verhalten. Und regt vielleicht auch manchmal zum Nachdenken an. Was ist das für ein Produkt, das ich hier in meinen Einkaufswagen lege?
Anfangs gab es natürlich große Bedenken, ob sich das Museum tragen kann. Wir sind nicht groß und ziehen sicher auch nicht die ganz großen Besucherströme an. Aber wir haben ein sehr durchmischtes Publikum: Schulklassen, Gruppenführungen, einfache Besucher aus allen Bevölkerungsschichten und auch Vertreter der Zusatzstoff-Hersteller kommen bei uns vorbei, um sich zu informieren. Aus verschiedenen Gründen interessieren sich diese alle für das Thema. Die Unternehmen wollen natürlich schauen, wie sie im Vergleich dastehen und der Konsument will vor allem Sicherheit – und mehr Verständnis darüber, was wir tagtäglich so zu uns nehmen.
Können Sie mir noch etwas mehr über die Hamburger Lebensmittelstiftung sagen? Die kannte ich bisher gar nicht…
Natürlich. Die Hamburger Lebensmittelstiftung ist eine gemeinnützige Stiftung, die von der Familie Ahlers, den Gründern der Tiefkühlmarke Frosta, ins Leben gerufen wurde. Bei Frosta kam 2004 die Einsicht, dass Zusatzstoffe für Tiefkühlkost nicht notwendig sind, woraufhin sie sich davon losgesagt haben. Wir sind derzeit zu 100 Prozent über diese Stiftung – ohne Zuschuss öffentlicher Mittel – finanziert. Am Anfang dachte man, dass vielleicht auch andere Firmen, die mit Zusatzstoffen arbeiten, an dem Thema interessiert sind. Und dass diese sich vielleicht verändern und ebenfalls in der Stiftung engagieren wollen. Oder zumindest in der Kommunikation zum Verbraucher einen anderen Weg als den über die hausinterne Marketingabteilung gehen möchten. Leider ist das bis heute nicht geschehen.
Nun aber zum eigentlichen Thema. Bewusst überspitzt gefragt: Sind Zusatzstoffe in Lebensmitteln generell schlecht?
„Vieles aus dem Themenkomplex ist für den Verbraucher einfach nicht durchschaubar!“
Nein, das auf keinen Fall. Ganz generell gesagt bieten sie erst die Möglichkeit, die Vielfalt, die wir heute haben, herzustellen. Und viele Zusatzstoffe, darunter auch Konservierungsstoffe, ermöglichen eine sehr gute Qualitätssicherung und sie schützen uns Verbraucher vor Vergiftungen durch Bakterien und Pilze. Aber vieles aus dem Themenkomplex ist für den Verbraucher einfach nicht durchschaubar. Ohne intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist es fast nicht möglich, eine wirkliche Bewertung vorzunehmen. Grundsätzlich muss man da einfach differenzieren: Zusatzstoffe haben viele Produkte erst möglich gemacht, aber es gibt auch bestimmte Gruppen darunter, die dazu geeignet sind, dem Verbraucher etwas vorzugaukeln, das er bei genauerer Erklärung gar nicht haben will. Sei es in Farbe, Geschmack oder Konsistenz.
Unter den E-Nummern und Zusatzstoffen gibt es ja auch immer wieder Popstars wie zum Beispiel Glutamat. Das kommt ja bekanntlich auch ganz natürlich in Lebensmitteln vor – warum hat es dann so einen schlechten Ruf?
Das hat eine lange Tradition. Glutamat wird seit etwas über 100 Jahren technisch hergestellt. Die Glutaminsäure zeigt dem Körper eiweißreiche Nahrung an, die wir grundsätzlich erstmal lecker finden. In den 70er Jahren kam es dann zu ersten Diskussionen: Damals lief das unter dem Namen „China-Restaurant-Syndrom“, da Glutamat in der asiatischen Küche mehr eingesetzt wird – so wie wir hier Salz einsetzen. Es mehrten sich Berichte von Leuten, die das Glutamat in den Speisen angeblich nicht vertragen. Was man daran sehr schön sieht: Nicht alle Menschen sind gleich gebaut und verarbeiten alles gleich. Es gibt ja auch Leute, die z.B. keinen Alkohol vertragen, andere können ihn aber problemlos ab. Wissenschaftlich kann man nicht hundertprozentig sagen, woran das liegt. Heute existieren Grenzwerte und niemand muss sich Sorgen machen, zu viel Glutamat zu sich zu nehmen. Es wird also nicht zu einer „akuten Vergiftung“ der Bevölkerung kommen…
„Ist ein neuer Zusatzstoff gefunden, wird der alte auf einmal böse.“
Grundsätzlich unterliegt dieses Thema aber auch immer einer gewissen Mode. Teilweise wird das auch von der Industrie selbst forciert: Ist ein neuer Zusatzstoff „gefunden“, wird der alte auf einmal „böse“. So geschehen zum Beispiel bei vielen Farbstoffen, die heute kennzeichnungspflichtig sind. Es war zwar bereits bekannt, dass sie die Aufmerksamkeit und Aktivität bei Kindern beeinflussen können, aber wirklich akzeptiert hat die Industrie das erst, nachdem bereits geeignete Ersatzfarbstoffe gefunden waren.
Ist das auch bei Süßstoffen so? Zumindest gefühlt ist Stevia ja auch so ein Mode-Thema…
Süßstoffe werden inzwischen immer strenger reguliert. Das heißt, man darf als Hersteller immer weniger davon einsetzen. Daher benötigen Hersteller immer mehr verschiedene Süßstoffgruppen, um diese kombinieren zu können. Stevia war eine davon. Die Überlegung dahinter war einfach: Zucker ist in der Wahrnehmung meist negativ behaftet, Alternativen wie Honig sind wiederum zu teuer. Da war das pflanzliche Stevia natürlich willkommen. Aber das ist auch schon wieder abgeebbt. Inzwischen hat Stevia eine E-Nummer bekommen, jetzt ist es auf einmal wieder ein böser Zusatz, weil es ja eine dieser berüchtigten E-Nummern trägt.
„Zucker will ich nicht, synthetische Süßstoffe auch nicht und da war Stevia eben eine willkommene Zwischenlösung.“
Aber auch hier liegt das Problem eigentlich woanders: Wirtschaftlich gesehen sind das immer auch Märkte, die da entstehen. Es werden immer wieder Verbindungen gefunden, die süß schmecken und dann als Süßstoff verwendet und vermarktet werden. Bei einigen musste man dann auch wieder darauf verzichten, weil sie giftig sind, andere sind noch am Markt und ermöglichen verschiedene Produkte. Was wir dadurch nicht mehr in unseren Köpfen haben, ist, dass Zucker ursprünglich ein Luxusgut war, dass sich nur wenige leisten konnten. Daher waren die ersten Süßstoffe auch explizit für die Armen gedacht, die sich keinen Zucker leisten konnten. Das funktioniert heute nicht mehr, da Zucker billig und ubiquitär geworden ist – da muss das Marketing andere Wege einschlagen. Das sind jetzt gesunde Stoffe. Aber da man die Süßstoffe schon länger im Fokus hatte, waren viele Verbraucher verunsichert und sagten: Zucker will ich nicht, synthetische Süßstoffe auch nicht und da war Stevia eben eine willkommene Zwischenlösung.
Der neueste Trend aus diesem Bereich ist jetzt Birkenzucker. Der hat zwar auch eine E-Nummer, hat noch einen gewissen Brennwert, ist also nicht komplett kalorienfrei, kommt aber gerade in Mode. Bis vor wenigen Jahren war es nicht möglich, diesen Birkenzucker kosteneffizient herzustellen. Inzwischen ist das durch den enzymatischen Abbau von Holzbestandteilen, Maisresten oder ähnlichem problemlos großtechnisch zu produzieren. Dieser Kostenvorteil ist aber bisher nicht bis zum Verbraucher vorgedrungen. Für „sowas Gutes“ wie Birkenzucker ist er anscheinend auch bereit, etwas mehr auszugeben. Langfristig kann das natürlich auch nicht im Sinne von uns Endkunden sein.
Gibt es Tricks von Herstellern, um Zusatzstoffe in ihren Produkten zu verschweigen?
Also es gibt bei einigen Stoffen zumindest Tricks, die man einsetzen kann. Das nennt sich dann „analysefest“. Die Stoffe sind also im fertigen Produkt nicht mehr nachweisbar. Mit Unterstellungen muss man aber vorsichtig sein – es ist nicht so, dass grundsätzlich jeder Hersteller per se schlecht produziert. Jedes Unternehmen setzt sich da eine Philosophie und kontrolliert auch seine Zulieferer. Aber auszuschließen ist es natürlich auch nicht. Die Produzenten können z.B. das Glutamat in anderer Form zugeben, dann ist es analytisch nicht mehr als Glutamatzusatz nachweisbar.
„Es gibt inzwischen viel Prozesstechnik, die heute Sachen möglich macht, die früher nur mit Zusatzstoffen möglich waren.“
Auch ein Beispiel ist es, eine Ablösung der E-Nummern durch die Verwendung alternativer Stoffe zu erreichen, z.B. Farbstoffe aus Pflanzenextrakten. Aber auch da kommen teilweise neue Probleme auf: Hibiscus-Farbstoffe schwanken zum Beispiel in ihrer Intensität. Durch chemische Verfahren war es aber möglich, Textilfarbstoffe chemisch an den Hibiscus zu koppeln und anzugleichen, so dass es nicht mehr möglich war, die Vorprodukte analytisch nachzuweisen. Das ist erst durch Zufall aufgefallen und dann ist man diesem Thema nachgegangen. Und natürlich gibt es viel Prozesstechnik, die heute Sachen möglich macht, die früher nur mit Zusatzstoffen möglich waren. Heute kann man also das Lebensmittel an sich im Prozess so weit verändern, dass es für den Supermarkt geeignet ist. Verbraucher haben meistens nur ihre normale Küchentechnik zu Hause. Die hat sich nicht großartig weiterentwickelt, vielleicht mal abgesehen von der Mikrowelle. Im Großmaßstab gibt es da inzwischen eben viel mehr Möglichkeiten. Und deshalb verändert sich Vieles und es ist schwer, diese Produkte zum Beispiel nachzukochen, weil die Industrie einen anderen Verarbeitungsprozess dahinter hat.
Gibt es Zusatzstoffe, die eigentlich überall deklariert sein müssten, es aber bisher nicht sind?
„Es geht nicht unbedingt darum, dass der Blaubeermuffin schön nach Blaubeere schmeckt, sondern mit den Blaubeeren den Muffin länger haltbar zu machen.“
Es wird gerne gefordert, dass ja eigentlich noch mehr auf den Etiketten stehen müsste. Aber wir merken hier bei unseren Führungen: Die Leute sind jetzt schon überfordert und viele lesen die Zutatenliste erst gar nicht. Einfach noch mehr draufzuschreiben wird daran nicht viel ändern. Aber es gibt natürlich Stoffe, die sowieso „verschwinden“, weil sie im Endprodukt keine Funktion mehr haben. Da kann sich der Verbraucher nicht dafür oder dagegen entscheiden. Da wäre etwas mehr Transparenz sicher sinnvoll. Auch gibt es immer mehr vorbearbeitete Produkte mit sogenannten funktionstragenden Zutatenbestandteilen. Zum Beispiel hat man gemerkt, dass bestimmte Früchte wie Heidelbeeren und Blaubeeren reich an Benzoesäure sind. Das ist ein Konservierungsmittel, das gegen bestimmte Pilze und Bakterien hilft. Wenn man es extra zusetzt, muss auf der Verpackung die entsprechende E-Nummer stehen. Ganz anders, wenn eine entsprechende Blaubeeren-Fruchtzubereitung verwendet wird. Zwar geht über diese Zutat die konservierende Wirkung in das Produkt über, muss aber nicht entsprechend deklariert werden. Soll heißen: Es geht nicht unbedingt darum, dass der Blaubeermuffin schön nach Blaubeere schmeckt, sondern mit den Blaubeeren den Muffin länger haltbar zu machen.
Ist die Gesetzgebung im Bereich Zusatzstoffe ausreichend? Oder wird da auch viel reinlobbyiert?
Reinlobbyiert wird natürlich in allen Bereichen – und auch von allen Seiten. Ich bin zwar kein Lebensmittelrechtler, aber ich glaube in der Gesetzgebung hat sich in den letzten Jahrzehnten schon viel zum Positiven gewendet. Das fängt schon damit an, dass man 2008 erstmals damit begonnen hat, alle E-Nummern in vergleichbaren Tests zu untersuchen. Außerdem hat jedes Bundesland Hygiene-Ämter, die sich auch sehr viel in diesem Bereich engagieren und schwerpunktmäßig einzelne Themen untersuchen. Grundsätzlich kann man auf jeden Fall sagen, dass wir inzwischen eine sehr hohe Lebensmittelsicherheit haben, vor allem wenn man sich mit dem Ausland vergleicht. Antioxidanzien wie Galate zum Beispiel, die im Verdacht stehen, Allergien auszulösen, werden in Indien zum Waschen von keimbelastetem Gemüse eingesetzt, während sie hier nur streng reguliert als Zusatzstoff in Backwaren eingesetzt werden dürfen. Da sind wir in Westeuropa wirklich privilegiert.
Außer einem Besuch hier bei Ihnen: was kann ich als Verbraucher tun, um mich zu informieren?
Seit einigen Jahren gibt es von der Verbraucherzentrale Hessen die Plattform „Lebensmittelklarheit.de“, die von der Industrie lange als Pranger gesehen wurden. Dort kann jeder Verbraucher, der ein Problem mit einem Schokoriegel hat, eine Nachricht hinschreiben und die versuchen dann, das mit dem Hersteller zu klären. Da sind außerdem viele Sachen geklärt, die der Normalverbraucher so noch gar nicht abgespeichert hat. Fragen wie „Was ist ein Aroma?“ oder „Welche Sicherheit hab ich bei Produkten?“ oder ähnliches. Genauso gibt es die Seite “Lebensmittelwarnungen.de”, die vor fehlerhaften Produkten warnt.
„Man sollte im Supermarkt überlegen, ob man das Produkt, wie es dort im Regal steht, schonmal gemacht hat.“
Ich denke aber, man sollte einfach ein anderes Vorgehen beim Einkauf an den Tag legen: Man sollte im Supermarkt überlegen, ob man das Produkt, wie es dort im Regal steht, schonmal gemacht hat. Die meisten Konsumenten haben sie nicht annähernd schon einmal selbst hergestellt – das sind komplexe Hightech-Produkte. Die können sie nicht durchschauen. Sie können sie kaufen und davon ausgehen, dass sie nicht vergiftet werden und sie können davon ausgehen, dass sie diese Produkte vielleicht nicht jeden Tag essen sollten. Wenn man so ein Produkt aber schonmal selbst gemacht hat, weiß man auch, was an Zutaten drin sein müsste. Und das kann man einfach nachschauen. So kann man zumindest bestimmte Stoffe vermeiden. Und man sollte sehr darauf achten, ob man ein Produkt kauft, was einem wegen der Zutaten attraktiv erscheint, oder ob man es nur kauft, weil es Zeit spart? Das ist dann aber im Bereich der persönlichen Wertschätzung – das muss jeder für sich entscheiden.
„Man muss einfach bereit sein, nachzufragen und sich zu interessieren.“
Inzwischen merkt man aber schon, dass die Leute vermehrt schauen, was im Essen steckt: Das ist ohne Gluten, das ist Bio, das ist vom Handwerksbäcker. Vielfach finden sie diese Angebote aber nicht oder werden direkt wieder von der Industrie geködert – die erkennen ja sofort jeden Trend und besetzen das Thema entsprechend. Das geht soweit, dass im Backwarenbereich extra darauf geachtet wird, dass man den Broten wieder den handwerklichen Touch zurückgibt und nicht mehr jedes Brot gleich aussieht. Man muss einfach bereit sein, nachzufragen und sich zu interessieren. Vielfach haben die Leute dazu nicht die Zeit oder die Muße, auch wenn es das wirklich wert wäre!
Hilft es, Bioprodukte oder ausschließlich regional zu kaufen?
„Ich finde es einfach wichtig, dass die Leute erstmal wieder anfangen, mehr aus echten Zutaten zu kochen und sich mehr mit dem Thema beschäftigen.“
Regional ist ja erstmal eine Definitionsfrage. Es ist ja teilweise schon abstrus, wie weit ins Landesinnere z.B. „Alpenmilch“ produziert werden darf. Damit hat der Verbraucher zwar ein schönes Gefühl, aber auch nicht wirkliche Kontrolle. Wenn man rein saisonal einkauft, ist es im Winter natürlich auch schwierig – man will ja nicht nur Feldsalat und Sauerkraut. Bei Bioprodukten wiederum ist es so, dass diese aus einer anderen Tradition, einer anderen Art der Landwirtschaft kommen. Vielfach gab es bestimmte Produkte, die die Verbraucher täglich im Supermarkt kaufen konnten, im Bioregal nicht. Das liegt daran, dass man da natürlich weniger Zusatzstoffe, z.B. E-Nummern, zur Verfügung hat. Beim EU-Biosiegel bleiben beispielsweise über den Daumen noch circa 40-50 Stoffe übrig. Andere Siegel sind noch strenger, z.B. Demeter. Aber auch hier gilt wieder: sobald so ein Trend Fahrt aufnimmt, steigt die Nachfrage – und der Verbraucher möchte auch Bio-Instant-Kartoffelpüree. Da ist es technisch gesehen egal, ob normale oder Bio-Kartoffeln verwendet werden. Das ist so sehr verarbeitet, dass man trotz Bio am Ende nicht unbedingt das bessere Produkt hat. Aber rein auf die E-Nummern bezogen hilft es natürlich, bio zu kaufen.
Und es ist auf jeden Fall sehr gut, dass es Bio-Anbau gibt. Er hat neue Maßstäbe für das gesetzt, was früher in der Landwirtschaft üblich war. Was heute in der Landwirtschaft ein Skandal wäre, war in den 70ern noch vollkommen üblich. Da haben die Bio-Höfe in ihrer Vorreiterrolle wirklich große Arbeit geleistet und gezeigt, dass es auch anders geht. Und das hat auf die konventionellen Landwirte abgefärbt, weil dann auch dort nach höherer Produktqualität gestrebt wurde.
Ich finde es einfach wichtig, dass die Leute erstmal wieder anfangen, mehr aus echten Zutaten zu kochen und sich mehr mit dem Thema beschäftigen. Das muss ja nicht bei Jedem dazu führen, dass er das Vierfache für Kartoffeln ausgibt. Aber auch der Discounter, der günstige Kartoffeln anbietet, verkauft die wahrscheinlich seltener als vorverarbeitete Produkte. Die Leute könnten viel mehr machen, gemeinschaftlich einkaufen und auch mal bewusst das Überangebot einschränken. Das ist mir viel wichtiger als zu sagen: Gehen sie auf Bio-Produkte!
Vielen Dank für das Gespräch!
Wer sich zum Thema Zusatzstoffe informieren will, dem möchte ich das Buch „Zusatzstoffe von A-Z – Was Etiketten verschweigen“ (Amazon-Partnerlink), das vom Zusatzstoffmuseum herausgegeben wurde, empfehlen. Im handlichen Taschenbuch findet ihr alle grundlegenden Informationen zu E-Nummern und weiteren Zusatzstoffen.
Das Deutsche Zusatzstoffmuseum befindet sich auf dem Hamburger Großmarktgelände hinter den Deichtorhallen und ist von Mittwoch bis Sonntag für Besucher geöffnet. Alle Informationen zu Anfahrt & Besuch gibt es auf der Website des Museums oder auf Facebook:
http://www.zusatzstoffmuseum.de/
https://www.facebook.com/Zusatzstoffmuseum/
Deutsches Zusatzstoffmuseum
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E-Mail: info@zusatzstoffmuseum.de
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