Normalerweise bin ich ja wirklich kein Frühaufsteher. Aber wenn man drei Tage im Südburgenland vor sich hat, um Wein, Küche und Leute kennenzulernen, dann kann man den eigenen Schweinehund auch mal überwinden und um 4.30 Uhr aufstehen, um den Flieger Richtung Wien zu nehmen. Am Flughafen Wien-Schwechat angekommen hat sich unsere Reisegruppe, bestehend aus Journalisten und Bloggern, die vom Winzerverband Eisenberg DAC eingeladen wurden, dann auch zusammengefunden und es ging im Kleinbus los Richtung Südburgenland. Nachdem wir den Neusiedler See links liegen gelassen hatten, waren wir dann nach knapp zweistündiger Fahrt auch an unserem ersten Ziel angekommen: dem Geschriebenstein, dem höchsten Punkt des Burgenlandes mit 884m.
Offenlegung: Zu dieser Reise wurde ich vom Verein Eisenberg DAC eingeladen. Der Artikel spiegelt jedoch ausschließlich meine eigenen Gedanken wider.
Dort, direkt an der heute grünen Grenze Richtung Ungarn, warteten auch schon einige Winzer des Eisenberg DAC auf uns und nahmen uns mit einer kleinen Stärkung sowie Petillant Naturel von Thomas Straka und Sekt vom Weingut StephanO in Empfang.
Was dann folgte, waren zweieinhalb Tage mit den Winzern, die uns durch die Region, die ganze Bandbreite der Weine sowie die kulinarischen Genüsse der burgenländischen Küche führten.
Die Region und die Geschichte
Die Region rund um den Eisenberg ist abwechslungsreich und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Während sich auf der einen Seite sanfte Hügel Richtung Alpen in die Landschaft betten, hat man von ebendiesen Richtung Südosten einen wunderbaren Blick in die pannonische Tiefebene – bei gutem Wetter sogar bis hinunter zum Plattensee. Das gemischte pannonisch-illyrische Klima sorgt dabei für die idealen Wetterverhältnisse, um Wein zu kultivieren. Das wussten auch bereits die Kelten und die alten Römer, die hier vor tausenden Jahren siedelten und bereits Trauben anbauten. Dass diese für Wein genutzt wurden, ist nicht endgültig belegt, aber natürlich sehr naheliegend.
Nicht nur in der Antike, sondern auch in der Neuzeit hat die Region eine wechselhafte Geschichte vorzuweisen. So war sie schon immer ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Nationalitäten: Evangelikale, Juden, Ungarn, Österreicher und später auch Donauschwaben leben hier zusammen, mal gehörten die Orte rund um den Eisenberg zu Ungarn, dann wieder zu Österreich (seit 1921). Und diese verschiedenen Kulturen haben auch die Trennung durch den eisernen Vorhang überlebt. So wurde uns erzählt, dass es nach der Grenzöffnung einen Empfang in der donauschwäbischen Gemeinde auf ungarischer Seite gab, bei dem die österreichischen Gäste mit deutschen Kirchenliedern empfangen wurden. Bis heute ein Gänsehautmoment für alle Beteiligten.
Neben solchen Momenten war es aber auch schon immer der Wein, der die Menschen der ländlichen Region zusammenbrachte. Die Weinberge wurden über die Jahrhunderte durch Vererbung immer weiter fragmentiert, so dass jeder Winzer im Schnitt nur 30-60a bewirtschaftete. Am unteren Ende der Rebzeilen wurden die für die Region typischen Kellerstöckl gebaut, in denen die Trauben gepresst und vinifiziert wurden. Und da es früher nur erlaubt war, höchstens zwei Doppelliter pro Person und Tag mit nach Hause zu nehmen, wurde bald auch einfach direkt vor Ort getrunken – zusammen mit einer einfachen Brotzeit. So entstand die bis heute bestehende Kultur der Buschenschänken, in denen der eigene Wein zu einer kleinen Jause serviert wird. Die Kellerstöckl, die eine maximale Grundfläche von 35qm haben, sind übrigens so landschaftsprägend, dass auch Neubauten sich in dieses Bild einfügen müssen und möglichst aus alten Materialien neu aufgebaut werden.
In den 70er und 80er Jahren waren die Buschenschänken bei den Leuten aus dem Umland bis Wien übrigens so beliebt, dass in den Kellergässchen am Wochenende kaum ein Durchkommen war – überall parkten Autos, die örtliche Musik spielte auf und die einfachen Weine der Bauern rund um den Eisenberg wurden literweise gezecht. Heute ist die Region zwar touristisch perfekt erschlossen und man kann nicht nur wunderschön wohnen, sondern auch ausgezeichnet essen (z.B. im „Ratschen“ des Weinguts Wachter-Wiesler in Deutsch-Schützen oder im „Gasthaus Csencsits“ in Harmisch) aber die Wochenenden sind bei weitem nicht mehr so überlaufen – die Wiener halten jetzt lieber schon am Neusiedler See. Aber nicht nur dafür lohnt sich eine Reise in den touristischen Geheimtipp Südburgenland – auch die Weine spielen heute in einer ganz anderen Liga als damals, wie mir die Winzer glaubhaft versichern und den Beweis in der Flasche an diesem Wochenende definitiv liefern.
Die Winzer und der Verein Eisenberg DAC
Bevor ich näher auf die Idee des Verbands „Eisenberg DAC“ eingehe, muss ich ein paar Worte über die Winzer verlieren. Denn selten wurde ich so herzlich empfangen, wie von diesen Überzeugungstätern. Egal ob junge Winzertalente wie Christoph Wachter vom Weingut Wachter-Wiesler (der dem Verband seit diesem Jahr auch vorsitzt), Thomas Straka, Rainer Stubits oder auch Markus Faulhammer vom Weingut Schützenhof, die heute die Betriebe ihrer Elterngeneration übernehmen und mit neuen Ideen und Ansätzen behutsam modernisieren, wie auch gestandene Winzer wie Reinhold Kruztler, Thomas Kopfensteiner oder Mathias Jalits haben uns in den drei Tagen im Burgenland mit offenen Armen empfangen und keine Mühen gescheut, uns ihre Region näher zu bringen. Und was man dabei definitiv gemerkt hat: Die machen das nicht, weil sie es müssen, sondern auch weil sie einfach so gastfreundlich und gesellig sind!
Aber zurück zum Thema: Dem Winzerverband Eisenberg DAC. Die drei Buchstaben DAC stehen für Districtus Austriae Controllatus und sind damit ungefähr mit dem italienischen DOC (Denominazione di origine controllata) oder dem französischen AOC (Appellation d’Origine Contrôlée) vergleichbar. Nur eben für Österreich. Und auch wenn die für die Gegend typischen Blaufränkisch-Weine schon seit über hundert Jahren „Eisenberger“ genannt werden, ist diese Herkunftsbezeichnung seit 2010 auch gesetzlich verankert. Ein Eisenberg DAC-Wein ist dabei immer rot und aus 100% Blaufränkisch gekeltert und folgt auch in der Stilistik einem klaren Bild: kühl, mineralisch, kein oder lediglich dezenter Holzeinsatz im Ausbau (die “Reserve”-Weine ausgenommen). Dies führt zu würzigen, frischen, dunkelbeerigen und mineralischen Rotweinen, die einen wunderbaren Grip am Gaumen haben. Echte Eisenberger halt.
Und auch wenn die grundsätzliche Stilistik ähnlich ist, weisen die Weine der Winzer doch unterschiedliche Interpretationen auf. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass wir hier nicht über eine Massenproduktion, sondern ein ländliches Gebiet mit vielen kleinen Produzenten sprechen. Einige Winzer betreiben den Weinbau sogar nur im Nebenerwerb und pendeln tagsüber nach Wien. Und auch insgesamt geht es hier mehr um Klasse statt Masse: insgesamt werden hier rund 500 Hektar Rebfläche bewirtschaftet, davon 200 Hektar Blaufränkisch, der im Herbst von Hand gelesen wird. Das ergibt in einem guten Jahr gerade mal rund 240.000 Flaschen. Verglichen mit dem nördlichen Burgenland rund um den Neusiedlersee (7.700 Hektar Rebfläche) geradezu verschwindend geringe Erträge, die die Weine vom Eisenberg aber gerade so besonders macht.
Die Weine und das Essen
Klar, das Aushängeschild der Region ist und bleibt der Blaufränkisch, als Eisenberg DAC oder Eisenberg DAC Reserve ausgebaut. Aber auch was Weißweine angeht muss sich das Südburgenland keinesfalls verstecken. Davon können wir uns kurz nach unserer Ankunft ausgiebig überzeugen. Im Buschenschank von Altbürgermeister Engelbert Kenyeri gibt es zunächst ein wunderbares „Blunzengröstl“ (Blutwurst mit Bratkartoffeln und Kren) zur Stärkung, bevor uns die Winzer durch ihr Angebot an Weißweinen führen. Allein die Bandbreite an Welschriesling ist bereits beeindruckend. Der „Prantner 2015“ vom Weingut Straka aus 90 Jahre alten Reben kommt z.B. schon fast burgunderhaft, mit kräuterig-salzigen Noten und gut eingebundenen leichten Tanninen daher während leichtere Vertreter sich durch einen wunderbaren Trinkfluss uns saftige Frische auszeichnen. Aber auch andere Rebsorten und Cuvées wissen zu überzeugen, z.B. der „Apollon“ vom Weingut Schützenhof, der schon ein bisschen in Richtung „experimenteller Naturwein“ geht, aber damit und seiner wohl balancierten Mischung aus Riesling und Chardonnay locker mit guten Chenin Blancs von der Loire mithalten kann.
Nach einem kurzen Ausflug zu den Weingärten von Thomas Straka und den beeindruckenden Eisenschiefer-Formationen, die das Terroir hier so bestimmen, geht es am Abend im Gasthaus Csencsits in Harmisch mit den ersten Rotweinen weiter. Vor dem Abendessen probieren wir uns durch die klassischen Eisenberg DAC-Weine und sind auch hier überrascht, wie viele verschiedenen Nuancen bei der grundsätzlich einheitlichen Stilistik in den Weinen durchkommen. Bei dieser Probe war auch wirklich schön zu sehen, wie die Winzer am Eisenberg zusammenarbeiten und sich austauschen. War der Winzer des gekosteten Weines zufällig am Tisch anwesend, hat er natürlich seinen Wein kurz vorgestellt. War der entsprechende Winzer nicht da, hat sich immer jemand in der Runde gefunden, der trotzdem erklären konnte, wie der Wein gelesen, vergoren, gekeltert und wahrscheinlich sogar etikettiert wurde. Schön zu sehen, dass es hier kein Konkurrenzdenken gibt, sondern alle an einem Strang ziehen und ihr Wissen teilen.
Nach diesem ersten Eindruck der Weine bekamen wir dann auch einen ersten Eindruck der gehobenen Küche des Südburgenlandes. Jürgen Csencsits kocht hier so gut, dass es dem Gault & Millau 15 Punkte bzw. 2 Hauben wert ist – was ich nach dem Menü vollkommen nachvollziehen kann. Nach dem Gruß aus der Küche folgen zwei Vorspeisen, ein Pfifferling-Sterz im Frischkäseschaum mit Majoran sowie ein Stück gebratener Zander im Speckmantel mit Krautfleckerl und Rahmgurken. Ein mehr als gelungener Auftakt, bevor das Menü mit lokalem Saibling auf einer Erbsencreme und hauchdünnen Kohlrabi-Scheiben weitergeht. Es folgt eine saftige Bio-Ente, die im Holzofen im Ganzen auf den Punkt gegart wurde, mit Blumenkohl-Püree und einem wunderbaren Geflügel-Jus. Den Abschluss des Menüs bildet dann ein österreichischer Klassiker: ein Zwetschgenknödel mit Mohn und Nuss.
Begleitend zum Menü haben die anwesenden Winzer ihre Lieblingsweine ausgepackt. Darunter zum Beispiel das Erstlingswerk „Feine Töne 2008“ von Christoph Wachter-Wiesler, das sich noch wunderbar frisch und fruchtig im Glas zeigt oder ein Pinot Noir aus der Lage Szapary vom Schützenhof. Auch die Reserven von Kopfensteiner (Reihburg 2012) und Kruztler (Alter Weingarten 2015) unterstreichen die kompromisslose Qualität, die hier gekeltert wird. Während die Winzer gerne noch die ein oder andere Flasche geöffnet hätten, müssen wir uns gegen halb 12 verabschieden – der Tag war dann doch lang und wir haben ja noch etwas Programm vor uns.
Am nächsten Tag erkunden wir die Region. Nach einem wunderbaren Frühstück auf der Terrasse des „Ratschen“ schwingen wir uns auf E-Bikes und starten unsere Tour, die uns über Ungarn an verschiedene Lagen des Eisenbergs, des benachbarten Csaterbergs sowie letztendlich bis in eine Kellergasse in Heiligenbrunn führt. An verschiedenen Stopps, z.B. am Csaterberg und beim Weingut Groszer Wein lernen wir einiges über die geologischen Besonderheiten der Region und bekommen auch die ein oder andere Stärkung gereicht. In Heiligenbrunn selbst wartete dann das Highlight der Fahrradtour auf uns: ein Kesselgulasch, das bei unserer Ankunft bereits über dem Feuer baumelt und mit seiner doch spürbaren Schärfe in der Nachmittagssonne auch dem Letzten unserer Gruppe ein paar Schweißperlen auf die Stirn treibt. Dazu gabs den für die Region typischen Uhudler in der gespritzten Variante.
Am Abend fanden wir uns nach einer kleinen Ruhepause wieder in Wachter-Wieslers „Ratschen“ ein, um einen weiteren wunderbaren Abend mit den Winzern zu verbringen. Zunächst verkosteten wir die verschiedenen Eisenberg DAC Reserve-Weine, die erst im 2. Jahr nach der Ernte auf die Flasche gezogen werden. Diese Weine, bei denen auch der Holzeinsatz spürbar sein darf, zeigen, was der Eisenberg so wirklich kann: wunderbar kühle, mineralische aber kräftige Blaufränkisch-Weine mit langem Lagerpotential, die sich auch wunderbar als Speisebegleiter anbieten.
Nach der Verkostung der Reserven wechselten wir aus dem Nebenraum an die große gedeckte Tafel: Das Menü von Küchenchef Stefan Csar, der bereits im Kopenhagener Noma am Herd stand, wurde serviert. Nach kleinen Aufmerksamkeiten aus der Küche wie fein gearbeitetem Langos und kleinen gefüllten Kartoffeln gab es Krebs und Kaninchen mit Kürbis, Zander mit Erbse, Kalb (Rücken und Stelze) mit Blumenkohlcreme und ein tolles Pfirsich-Erdnuss-Dessert. Dazu natürlich wieder verschiedene Weine der anwesenden Winzer, zu denen sich auch Weine befreundeter Winzer gesellten, z.b. eine wunderbar fruchtig-süße Trockenbeerenauslese aus dem Haus Gruber-Röschitz. Und gegen später zog Sommelier Thomas Fassl gegen die einsetzende Müdigkeit am Tisch noch ein Ass aus dem Ärmel: zwei Flaschen „Terroirs“ von Agrapart & Fils. Ein wunderbar feinprickliger Winzer-Champagner, der den Abend krönend abschließt, auch wenn er ausnahmsweise nicht aus dem Südburgenland kommt.
Bevor wir uns am nächsten Nachmittag auf den Rückweg an den Flughafen machen, wird uns noch eine besondere Ehre zuteil: Die Eisenberg-Winzer haben ganz tief in ihren Kellern gegraben und zur Raritäten-Probe eingeladen. Über die Neunziger arbeiten wir uns langsam zurück bis in die Sechzigerjahre. Und auch wenn ein oder zwei Weine über die Zeit einen leichten Kork und Alterstöne entwickelt haben, zeigt diese Probe, wie gut sich die Weine vom Eisenberg auch über Jahrzehnte entwickeln können – und das, obwohl die Weine damals im Gegensatz zu heute nicht auf eine lange Lagerfähigkeit ausgelegt waren.
Wir lassen uns das abschließende Schnitzel zum Mittagessen schmecken und genießen noch ein bisschen die burgenländische Sonne, bevor wir uns auf den Weg zum Flughafen machen. Ein wunderbares Wochenende, das uns die Vielfalt und Schönheit der Region um den Eisenberg näher gebracht hat, geht zu Ende.
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