Champagner ist ja bekanntlich das Getränk der Schönen, der Reichen und denen, die sich zumindest so fühlen wollen. Elitär und nicht zu günstig soll es zugehen, der Geschmack tritt schon fast in den Hintergrund. Aber Champagner geht auch anders: ehrlich, geprägt von Handarbeit, ganz ohne Chichi und mehr als bezahlbar. Gemacht werden diese Winzerchampagner von bodenständigen Weinbauern wie Madame Foureur, die ich in der Champagne besucht habe.
Als ich an einem Montagnachmittag in Ambonnay in der Nähe der Champagner-„Hauptstadt“ Reims ankomme, liegt das kleine Dorf (ca. 950 Einwohner) ziemlich verschlafen vor mir. Es scheint so, dass mit der Ernte, die vor ein paar Wochen zu Ende war, auch das Dorf in einen kleinen Dornröschenschlaf gefallen sei. Davor war es hier sicher etwas betriebsamer, denn auf die nicht mal tausend Einwohner kommen knapp 50 Champagner-Winzer. Darunter auch bekanntere Namen wie Benoit Marguet, dessen „Sapience 2007“ bei einer Blindverkostung deutscher Sommeliers letztes Jahr jegliche Konkurrenz ausstach (immerhin 169€ / Flasche). Und auch die Trauben des „Clos d´Ambonnay“ vom Champagnerhaus Krug kommen – wie der Name verrät – aus einer Parzelle der Grand Cru-Lage um das Dorf. Hier befinden wir uns preislich übrigens schon bald im mittleren vierstelligen Bereich – pro Flasche wohlgemerkt!
Nach all dem habe ich aber gar nicht gesucht (ok, bei Marguet habe ich dann doch kurz durch das Fenster gespickt…). Mein Ziel war die andere, die bodenständige Champagne, genauer gesagt: der Innenhof des kleinen Champagner-Betriebes Foureur. Nachdem ich meinen VW-Bus auf dem Hof geparkt und mein Nachtlager bezogen hatte, bat mich Frau Foureur, die rüstige Chefin des Hauses, auch direkt in die Stube. „Auf ein kleines Gläschen“, wie sie mir in Deutsch mit deutlichem französischen Akzent mitteilt. Hier als Gast nein zu sagen wäre natürlich äußerst unhöflich und ich füge mich meinem Schicksal – ich bin ja schließlich nicht zum Spaß hier…
Champagner braucht keinen Anlass
„Wenn eine Nachbarin vorbeikommt, dann heißt es nicht ‚Lass uns einen Kaffee trinken!'“
Als Erstes lerne ich von Madame Foureur die wichtigste Lektion: Champagner ist hier nicht nur für die Festtage, sondern für den Moment! „Wenn hier eine Nachbarin vorbeikommt, dann heißt es nicht ‚Lass uns einen Kaffee trinken!‘, nein, dann trinken wir ein Glas Champagner!“, erzählt mir Madame mit solchem Nachdruck, dass ich gar nichts erwidern möchte, aber ernsthaft über einen Umzug in die Nachbarschaft nachdenke. Der Eigenbedarf einer 4-köpfigen Winzerfamilie beträgt dadurch im übrigen gerne auch mal 500 Flaschen pro Jahr. Nachvollziehen kann ich das auf jeden Fall, denn selbst der „einfache“ Brut des Hauses, den ich gerade im Glas habe, schmeckt schon verdammt gut. Ein Hauch rote Frucht und Johannisbeere vom Pinot Noir, eine schöne Länge und eine Frische Limetten-Note vom Chardonnay. Hier gibt es schon Montagnachmittag das sprichwörtliche Leben wie Gott in Frankreich…
„Der Teil hier ist neu, also von 1913!“
Doch Madame lässt mich nichtmal in Ruhe austrinken. Sie will mir nämlich unbedingt den Keller zeigen. Und so finde ich mich nur Momente später auf einer schmalen Steintreppe, die steil in den Kreidefels unter dem alten Bauernhaus führt. Von 1609 sei dieser Keller, der in die bare, weiße Kreide geschlagen wurde. Beeindruckt von der Größe der unterirdischen Stollen frage ich nochmal nach, ob der Keller wirklich schon 400 Jahre alt ist. Dann die Korrektur. Der Gang zu meiner Rechten wurde nachträglich angelegt: „Der Teil hier ist neu, also von 1913!“. Interessantes Verständnis von „neu“, denke ich mir und lausche weiter Madame Foureurs Ausführungen. Ganzjährig zwischen 9 und 13 Grad hat es hier unten, egal was an der Oberfläche passiert. Und auch die Luftfeuchtigkeit liegt bei konstanten 80-90% – perfekte Bedingungen für die Reifung der Champagner.
100% Handarbeit
„Ich spiele zwar an für sich gerne Mikado, im Keller verzichte ich aber lieber darauf“
Das hier im wahrsten Sinne noch von Hand gearbeitet wird, zeigt mir Madame dann auch am Rüttelbrett, wo die Flaschen täglich etwas weiter gedreht und steiler gestellt werden, damit sich die Hefe im Flaschenhals unter dem Kronkorken absetzt und keine Heferückstände an der Flaschenwand kleben bleiben. Mit den geübten Handbewegungen braucht Madame gerade einmal wenige Sekunden, um die 60 Flaschen, die in einem Brett stecken, zu drehen. 25 Minuten täglich braucht sie insgesamt für die vielen hundert Flaschen in den Brettern. Sobald sich die Hefe im Flaschenhals gesammelt hat, werden die Flaschen übrigens kopfüber gelagert – in einer mehr als beeindruckenden Stapel-Methode: auf kleinen Holzlatten stehen gut und gerne mal 1000 Flaschen, in mehreren Reihen und Schichten übereinander. Dieses statische Meisterwerk vollbringen übrigens nur Madame oder ihr Mann höchstpersönlich, ihre Mitarbeiter dürfen das nicht machen. „Ich spiele zwar an für sich gerne Mikado, im Keller verzichte ich aber lieber darauf“, ergänzt sie lachend. Man kann es ihr nicht verübeln, hier einen Fehler zu machen wäre mehr als fahrlässig.
Der Champagner der Foureurs wird von insgesamt 4,5 Hektar Rebfläche produziert – und zwar ausschließlich aus den Rebsorten Pinot Noir und Chardonnay, die bis zu 6m tief in den Kreidefelsen wurzeln. Die dritte für Champagner zugelassene Sorte, Pinot Meunier, mag die kreidehaltigen Böden um Ambonnay nicht so gern, daher wird hier darauf verzichtet. Bei der Arbeit im Weinberg setzten die Foureurs übrigens seit vielen Jahren auf begrünte Rebzeilen und sie verzichten auch größtenteils auf Dünger oder künstliche Schädlingsbekämpfung. Nicht aus Ideologie oder um sich mit einem Biosiegel zu schmücken, sondern weil man es so einfach für richtig hält.
„Wir sagen dann einfach: kommt, hier hängen noch Trauben, holt sie euch!“
Mit der Natur pflegen die Foureurs aber eh einen entspannten Umgang. Die trockenen Sommer der letzten Jahre haben sie dank des im Kalkfelsen eingelagerten Wassers bisher gut überstanden und auch andere Wetterkapriolen haben sie nicht so hart getroffen wie andere. 2017 hatten sie 10% Ernteausfall wegen Hagels – da hatte es einige Nachbarn mit 80% und mehr weitaus härter getroffen, erzählt mir Madame. Aber die werden dann im Sinne einer guten Nachbarschaft nicht allein gelassen, sondern bekommen Trauben von anderen Winzern überlassen, die vom Wetter verschont blieben. „Wir würden nie auf die Idee kommen, dafür auch noch Geld zu verlangen… Wir sagen dann einfach: kommt, hier hängen noch Trauben, holt sie euch!“ erzählt Frau Foureur von der pragmatischen Nachbarschaftshilfe.
Nach der Ernte werden die Weine dann für ca. 6 Monate vinifiziert (also zu normalem Wein vergärt) bevor sie mit etwas Zucker und Champagnerhefe für die zweite Gärung auf die Flasche kommen – und darin im Schnitt mindestens vier Jahre reifen, bevor sie von Hand degorgiert werden. Das passierte bis vor kurzen noch nach der ganz traditionellen Methode mit Flaschenöffner und einer geschickten Drehung der Flasche im richtigen Moment, um den Hefepfropfen aus der Flasche zu schießen und den Wein mit etwas abschließender Dosage zu verkorken und zu konfektionieren. Erst vor kurzem wurde eine Apparatur zum Vereisen der Flaschenhälse angeschafft, welche diese anstrengende (und im Zweifel ziemlich spritzige) Arbeit deutlich erleichtert. Übrigens: Nur wenn es die Qualität eines Jahrgangs zulässt, wird aus einem Grundwein auch ein Millesime, ein Jahrgangschampagner abgefüllt. Ansonsten wird mit Reserve-Weinen aus den Vorjahren cuvetiert, um ein ausgewogenes Geschmacksbild zu erreichen. Das ist der Grund, warum auf Champagnerflaschen so selten Jahrgangsangaben zu finden sind. Hier wurde zuletzt 2011 ein Millesime hergestellt und dieser Champagner geht jetzt erst so langsam in den Verkauf. Gut Ding will eben Weile haben.
Lebendige Geschichte
Nicht ohne Stolz zeigt mir Madame zum Abschluss unseres Rundgangs noch die alte Holzpresse, mit der ebenfalls noch bis vor einigen Jahren der Wein gewonnen wurde. Trotz des musealen Alters und dem entsprechenden Aussehen tut sie wohl noch wunderbar ihren Job, wie mir versichert wird. Neben der alten Presse stehen in der Scheune auch noch weitere antiquarisch anmutende Gerätschaften, mit ihnen wollen die Foureurs zukünftig ein kleines Museum über die Champagner-Herstellung auf ihrem Hof aufbauen. Bei so viel Geschichte in Kellern und Produktionsräumen durchaus nachvollziehbar.
Danach landen wir wieder am Ausgangspunkt unseres Rundgangs: Der kleinen Stube, in der ich jetzt noch dazu „genötigt“ werde, den Rosé des Hauses zu verkosten. Ich tue wie mir geheißen und lade dann einen ersten kleinen Flaschenkarton mit einem Querschnitt durch das Sortiment der Foureurs in meinen Bus. Es sollten noch über die Zeit noch ein paar weitere Kartons dazu kommen, aber dazu an anderer Stelle mehr…
Champagne Dominique Foureur
Rue d’Epernay 12
51150 Ambonnay, Frankreich
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