Wer mich kennt oder hier schon ein bisschen mitliest weiß: Ich liebe Märkte und Markthallen. Egal wo ich mich rumtreibe, ist ein Markt in der Nähe ist der Zeitvertreib gesichert und die Stimmung ganz oben. Umso trauriger für mich, dass es in Hamburg zwar tolle Wochenmärkte, aber keine Markthalle gibt, in der man auch zwischendurch oder nach Feierabend gute, regionale Lebensmittel bekommt. Bis jetzt. Denn seit Anfang August gibt es ein neues Highlight in der Hamburger Food-Landschaft: Die Hobenköök – eine Mischung aus Restaurant und Markthalle. Natürlich musste ich da gleich mal hin, mich umschauen und Thomas Sampl, einem der Gründer, ein paar Fragen stellen.
Zentral im Oberhafenareal hinter den Deichtorhallen gelegen belegt die Hobenköök (plattdeutsch für „Hafenküche“) jetzt eine der alten Rangierhallen, die dort seit vielen Jahren etwas im Dornröschenschlaf lagen. Aber so langsam tut sich da wirklich was, in der Nachbarschaft tummeln sich Galerien, Shops, Film- und Fotostudios und nicht zuletzt die Hanseatische Materialverwaltung, die alten Filmrequisiten und Bühnenbildern ein zweites Leben verschafft. Und jetzt also mittendrin eine Markthalle mit integriertem Restaurant und Cateringservice. Kann das funktionieren?
Zugegeben: Vor meinem ersten Besuch war ich durchaus skeptisch, hatte Angst, dass dort zu viel Restaurant und zu wenig Markt stattfindet, das ganze nur ein Marketing-Ding ist. Aber gleich der erste Eindruck belehrt mich eines Besseren: Der Charme der alten Halle wurde erhalten, das merkt man sofort, wenn man durch die große Glasfront nach innen tritt. Und sicher steht man erstmal mitten im Restaurant – aber gleichzeitig sieht man, dass die Frischetheken und Holzregale mit allerlei Waren aus dem Hamburger Umland direkt an die offene Küche anschließen. Das macht nicht nur Lust auf’s Essen, sondern auch auf’s Einkaufen.
Aber mal wieder alles der Reihe nach. Nachdem ich mich mit dem Mittagstisch (Gebratener Nordsee-Seelachs, Marktgemüse, Mandelöl und einer Apfelschorle von „Das Geld hängt an den Bäumen“) gestärkt und eine erste Runde durch den Marktbereich gedreht habe, setzte ich mich mit Thomas Sampl, seines Zeichens Koch und neben Neele Grünberg und Frank Chemnitz einer der drei Gründer der Hobenköök, zum Interview zusammen.
Moin Thomas! Erklär doch mal kurz in 1-2 Sätzen: Was ist die Idee der Hobenköök?
Puh, es ist natürlich immer schwierig, sich da kurz zu fassen. Ich probiere es trotzdem mal: Unser Konzept in der Hobenköök beruht eigentlich auf drei Säulen. Zu allererst wollen wir den Produzenten hier ein Gesicht geben. Dazu gehört für uns natürlich, dass wir alles von lokalen Produzenten einkaufen und das auch so präsentieren, dass die Gäste und Kunden wissen, woher ihr Essen kommt. Das wird in nächste Zeit auch noch ausgebaut: Wir werden jedes Regal entsprechend beschriften, damit man auf einen Blick erkennt, woher die Sachen kommen und von wem sie produziert werden. Denn bei uns steht nicht nur auf dem Etikett, dass es aus der Gegend kommt, das ist wirklich so (lacht). Die zweite Säule ist, dass wir die Waren nicht nur im Markt verkaufen, sondern natürlich auch im Restaurant und Catering verarbeiten. Und auch da machen wir keine Ausnahme: was auf der Karte steht, kann man normalerweise auch im Markt kaufen. Unsere Köche nutzen das eh wie ein großes Warenlager und bedienen sich fleißig aus den Regalen. So wollen wir versuchen, auch dort einen Kreislaufgedanken zu etablieren.
Gehört dazu auch Abfallvermeidung? Ich hatte eben beim Essen gemerkt, dass ihr nicht nur die Brokkoli-Röschen, sondern auch die Strünke ganz selbstverständlich mit verarbeitet.
„Wir bestellen nur halbe oder viertel Tiere, wir versuchen vom Brokkoli und von der Karotte alles zu verarbeiten.“
Ganz genau, das ist Punkt drei bei uns. Wir versuchen wirklich alles zu verarbeiten. Wir bestellen nur halbe oder viertel Tiere, wir versuchen vom Brokkoli und von der Karotte alles zu verarbeiten. Und wenn wir Samstags sehen, dass ein Joghurt in zwei Tagen sein Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht, dann nehmen wir den natürlich aus dem Verkauf und verarbeiten ihn im Dessert oder zum Frühstück. So schaffen wir es jetzt schon, wirklich wenig Müll zu produzieren. Das schafft kein Supermarkt, der nicht nur drei Meiereien im Regal stehen hat, sondern 600 Becher Joghurt. Bei denen fliegt das natürlich einfach raus, hier würde mich sowas verrückt machen. So, war jetzt doch nicht so kurz, aber so kann man die wesentlichen Eckpfeiler der Idee Hobenköök eigentlich ganz gut zusammenfassen.
Du bist ja eigentlich Koch und hast als Küchenchef in gehobenen Restaurants gekocht. Ist dort dort klar geworden, wie wichtig Regionalität und Saisonalität sind? Anders gefragt: Was war der Auslöser, die Idee der Hobenköök zu verfolgen?
„Das war sozusagen der Startschuss, ich dachte mir: Irgendwas ist hier doch nicht richtig.“
Meine letzte Station vor der Selbständigkeit war ja das VLET in der Speicherstadt, wo ich als Küchendirektor gearbeitet und damit auch den ganzen Einkauf koordiniert habe. Stammgäste haben mir da mal ein altes Kochbuch geschenkt – und dadurch bin ich dann eigentlich auf die ganzen Lebensmittel gekommen, die es jetzt auch hier im Markt gibt. Da waren Sachen dabei, die ich damals schlichtweg nicht kannte, die mich aber neugierig gemacht haben. Ich habe dann versucht, diese Waren von meinen Lieferanten zu bekommen, aber da war nichts zu holen. Die haben mir dann auch mal gerne gesagt, sowas wie Klettenwurzeln oder weiße Bete gäbe es gar nicht. Daraufhin bin ich dann auf die Wochenmärkte gefahren und hab genau diese Sachen gefunden. Das war sozusagen der Startschuss, ich dachte mir: Irgendwas ist hier doch nicht richtig. Dann fingen so langsam die Kontakte zu Produzenten an und das wurden dann immer mehr. Das ist heute natürlich Gold wert. Aber es ist auch toll, wie unsere Idee allein in den letzten Wochen nochmal gewachsen ist. Inzwischen kommen die Produzenten teilweise selbst auf uns zu und bieten uns ihre Schätze, ihre goldenen Nuggets an. Die sagen dann: „Normalerweise wird das nicht verkauft, aber wir haben hier noch diese alte Gemüsesorte oder diesen speziellen Obstbrand!“. Das ist wirklich toll!
Hattet ihr ein Vorbild für die Hobenköök? Und warum habt ihr euch gegen eine klassische Markthalle, also mit festen Ständen, die von den Produzenten betrieben werden entschieden und habt einen großen „Hofladen“ mit Restaurant geschaffen?
So wie dieses Konzept hier besteht, also dass wir alleiniger Betreiber von Markthalle und Restaurant sind, hat allein schon Neuheitswert – das gibt es so in ganz Europa nicht. Uns wurde jetzt von einer Kundin gesagt, dass es sowas auch in New York gäbe, aber meine Recherchen sind da bisher ins Leere gelaufen. Aber ganz davon abgesehen glaube ich, dass das ein Modell für die Zukunft ist. Zum einen legen die Menschen immer mehr Wert auf regionale Lebensmittel, zum anderen hat es ganz einfache wirtschaftliche Gründe. Die Markthalle ist ja – sogar noch mehr als das Restaurant – ein wirtschaftlicher Risikobereich. Beim Restaurant können wir ganz gut abschätzen, was auf uns zukommt, das kennen wir ja. Aber bei der Markthalle wissen wir das nicht. Durch die Verbindung von beidem können wir viel besser planen, wie viel Ware wir für die beiden Bereiche brauchen und wenn wir mal daneben liegen, dann können wir die Lebensmittel immer noch verarbeiten. Lustigerweise haben jetzt schon nach ein paar Wochen Anfragen aus Kiel und Recklinghausen, die sowas vielleicht auch aufziehen wollen. Die Idee scheint also auch für andere sinnvoll zu erscheinen.
Ich hatte gelesen, dass ihr bis zu 200 Produzenten im Angebot habt. Ist euer Netzwerk wirklich schon so groß?
Wir haben vorher mal durchgezählt und aufgeplant. 200 Lieferanten bekommen wir derzeit leider gar nicht platziert, das wäre für den Start zu viel geworden. Wir sind dann zum Start mit ca. 140 angetreten, sind jetzt aber schon wieder bei 146 oder 147. Ich glaub auch, dass es mal 200 werden – aber bis es soweit ist, gehen sicher noch ein paar Wochen ins Land und das ganze entwickelt sich dann wahrscheinlich ganz organisch.
Und kennt ihr dann auch wirklich alle Produzenten persönlich?
„Im nächsten Jahr würden wir dann gerne noch mehr Hand in Hand mit den Bauern machen.“
Die meisten. Die, die wir noch nicht persönlich kennen, sind z.B. durch Empfehlungen oder unsere regionalen Netzwerke dazu gekommen. Ich habe glaub noch 10 Höfe auf dem Schirm, dich noch besuchen möchte, aber das lässt die Zeit gerade nicht zu. Aber spätestens in den Herbstferien wollen wir das angehen und die Produzenten bereisen. Wir haben ja gerade erst angefangen und sehen, dass das Konzept funktioniert. Im nächsten Jahr würden wir dann gerne noch mehr Hand in Hand mit den Bauern machen. Das kann soweit gehen, dass die vielleicht auch was exklusiv für uns anbauen. Der eine macht vielleicht tolle Tomaten und Salate, aber das allein lohnt sich noch nicht für eine Lieferung – der muss mir dann vielleicht noch etwas anderes anbieten, damit das funktioniert. Da muss man sich natürlich zusammensetzen und das ganze etwas genauer planen und skizzieren. Alternativ versuchen wir natürlich auch im Netzwerk zusammenarbeiten. Wir haben z.B. Fisch von der Fischzucht Reese aus Plön. Björn Juhnke aus dem „HACO“ und Thomas Imbusch aus dem „100/200“ werden auch von ihm beliefert. Da lohnt sich die Tour natürlich auch so. Ähnlich könnte das auch für unsere anderen Produzenten und Bauern funktionieren.
Ihr seid erst vor wenigen Wochen gestartet: Wie ist das erste Feedback der Hamburger? Wird das Konzept gut angenommen?
Ja, es läuft schon ganz gut. Letzten Samstag hatten wir allein 500 Gäste im Restaurant und 260 Kunden im Markt – das ist schon echt viel. Was die Hamburger noch nicht so ganz mitbekommen haben ist, dass man hier auch wirklich einkaufen kann. Also für den täglichen Bedarf – und zwar tolle Lebensmittel wie vom Wochenmarkt. Bisher ist es eher so, dass die Leute hier für ihren Wochenendeinkauf herkommen. Ich hätte gerne auch am Anfang der Woche noch etwas mehr Kundschaft. Aber das braucht vielleicht auch einfach noch ein bisschen Zeit, bis das in den Köpfen angekommen ist und sich die Routinen der Leute entsprechend eingespielt haben. Wenn man einmal begriffen hat, dass das hier anders als im Supermarkt läuft dann kommen die Leute sicher auch öfters. Aber wie gesagt: Das Restaurant ist eigentlich immer picke-packe voll, da können wir uns wirklich glücklich schätzen. Und der Rest kommt noch.
Und was waren die größten Herausforderungen? Klein ist das Projekt ja nicht gerade…
Ja, wir haben insgesamt fast zwei Jahre geplant, gewerkelt und getan. Eigentlich dachte ich auch, dass das schneller geht. Aber ich habe vorher noch nie was gebaut – also wusste ich auch nicht, wie lange das dauert. Allein über eine Lüftung kann man beispielsweise sehr lange und sehr häufig sprechen (lacht). Und wenn dann mal noch jemand nicht so gut oder schnell arbeitet wie er soll, dann dauert das halt manchmal auch ein bisschen. Das hat einfach Zeit gekostet. Aber wir haben einen wirklich tollen, vernünftigen und guten Prozess mit der Stadt und der Hafencity GmbH beschritten. Nur geht die Stadt halt manchmal etwas langsam. Da liegen zwischen zwei Meetings gerne mal vier Wochen und zack, ist wieder ein Monat um. Aber der Wille der Stadt für das Projekt war deutlich zu spüren, dafür bin ich auch sehr dankbar. Und was man auch sagen muss: Die eigentliche Bauphase lief im großen und ganzen sehr gut. Wir hatten einen Zeitplan, der vom 04. Januar bis zum 03. August ging. Und das war dann wirklich so: Anfang Januar haben wir losgelegt, Anfang August waren wir zwar nicht ganz, aber so gut wie fertig!
Ihr habt sicher noch viele Ideen, die ihr hier verwirklichen wollt. Kannst du zum Abschluss schon ein paar davon verraten?
„Die haben alle so viele tolle Produkte, die auch jeweils ihre eigene Geschichte haben, dass sie das natürlich am besten selbst vermitteln können.“
Hier wird auf jeden Fall relativ viel passieren – auch was Veranstaltungen angeht. Jetzt kommt erstmal – wie schon in unserem Crowdfunding beworben – der Olivenöl-Abend mit Conrad Bölicke von arteFakt. Dort gibt es dann drei Gänge aus der Markthalle, natürlich mit dem Olivenöl. Dann wird es demnächst, wahrscheinlich Ende Oktober, ein Event mit „Echtöl“ hier geben, die Essenzen aus verschiedenen Gewürzsaaten herstellen. Und sobald es sich hier ein bisschen eingegroovt hat, wollen wir wahrscheinlich auch regelmäßig Samstags ein-zwei Produzenten einladen und ihnen hier eine Präsentationsfläche bieten. Die haben alle so viele tolle Produkte, die auch jeweils ihre eigene Geschichte haben, dass sie das natürlich am besten selbst vermitteln können. Und davon profitieren natürlich auch unsere Mitarbeiter in Küche und Markt. Die verstehen dann auch besser, was für ein Mensch und welche Idee hinter einem Produkt steht – und worauf dieser Wert legt. In die Richtung ist schon einiges geplant. Nächstes Jahr wird es wahrscheinlich auch eine größere Food-Veranstaltung hier geben, aber dazu kann ich noch nicht viel sagen. Auch wird es wahrscheinlich im Frühjahr die ersten Oberhafen-Biertage geben und mit der Hanseatischen Materialverwaltung wollen wir den Winterbasar mit kulinarischen Stationen erweitern. Und wenn die Baustelle draußen auf dem Vorplatz weg ist, wollen wir sicher da auch mal die ein oder andere Aktion machen. Wie du siehst: Hier ist eigentlich alle zwei Wochen was los. Dabei haben wir uns da noch nichtmal wirklich dahinter geklemmt – das hat sich alles einfach so entwickelt.
Dann kann man euch nur Wünschen, dass das für euch so weitergeht. Vielen Dank für das Gespräch, Thomas! Ich komme ab jetzt sicher öfters vorbei und geh jetzt erstmal einkaufen!
Die Hobenköök findet ihr mitten in Hamburg im Oberhafen-Gelände. Das liegt direkt hinter den Deichtorhallen und ist mit dem Fahrrad, der U-Bahn (U1 Meßberg oder Steinstraße) oder der S-Bahn (Hauptbahnhof) gut zu erreichen.
Öffnungszeiten:
Markthalle: Mo bis Sa 10.00-20.00 Uhr
Restaurant: Mo bis Sa 10.00-22.00 Uhr,
Sonntags geschlossen (außer bei Veranstaltungen im Oberhafen)
Hobenköök – Restaurant & Markthalle
Stockmeyerstraße 43
20457 Hamburg
040-228 65 538
info@hobenkoeoek.de
www.hobenkoeoek.de
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