Da ich gerne esse, gehe ich auch gerne in Restaurants. Und immer öfter hinterfrage ich dabei auch, was mir dort serviert wird. Denn auch wenn viele Gastronomen inzwischen dazu übergehen, Produzenten in ihrer Speisekarte zu nennen oder generell über die Herkunft der Zutaten zu informieren, ist der Gang ins Restaurant oft mit einer Inkaufnahme von Ungewissheit verbunden. Eine Initiative, die sich für mehr Transparenz in der Gastronomie und den dahinter liegenden Lieferketten einsetzt, ist die Online-Plattform Greentable.de. Als „Wegweiser zum nachhaltigen Genuss“ möchte sie dem Verbraucher und auch den Gastronomen eine Orientierung geben, die es so bisher nicht gab. Matthias Tritsch, einer der Gründer der Plattform, war so nett, mir einige Fragen zum Konzept von Greentable.de und den dort aufgestellten Nachhaltigkeitskriterien zu beantworten.
Herr Tritsch, was ist die Idee hinter Greentable.de?
Am einfachsten lässt sich das mit unserer Vision beantworten: „Sich mit ökologisch produzierten oder saisonalen Lebensmitteln aus der Region einzudecken, ist mittlerweile ein Kinderspiel. Aber wie steht es mit dem, was in den Restaurants auf den Tisch kommt? Mit Greentable soll nachhaltiger Genuss nun auch in der deutschen Gastronomielandschaft Einzug halten. Wir möchten Gastronomen, Erzeuger und Gäste sensibilisieren, informieren und motivieren mitzumachen – denn wir sind davon überzeugt, dass sich das Ernährungsbewusstsein verändern muss, um die Umwelt auch für nachkommende Generationen lebenswert zu erhalten.“
Und wie kam es zu der Idee, ein Verzeichnis für nachhaltige Restaurants und Lieferanten aufzubauen? Soweit ich weiß, sind Sie ja weder Gastronom noch Lieferant…
Mein inzwischen neunjähriger Sohn war in einem Naturkindergarten. Gemeinsam mit der Kita-Leiterin entstand damals die Idee eines ganzheitlichen, nachhaltigen Kindergartens. Das Thema faszinierte mich und ich verbrachte ein Jahr lang neben meinem Job als Grafiker mit Netzwerkbildung, Recherchen etc. Mir wurde klar, dass wir die Verantwortung dafür tragen, in welcher Welt unsere Kinder aufwachsen. Mit dieser Erkenntnis änderte sich dann auch das Konsumverhalten. Gekocht habe ich übrigens schon immer gern und als „Chef am eigenen Herd“ weiß ich wenigstens, was auf den Teller kommt. Bei einem Urlaub im Allgäu vor zwei Jahren war ich total begeistert davon, dass auf fast jeder Speisekarte steht, woher die Lebensmittel kommen. Mein Geschäftspartner Marcus Ramster ist ja selbst Gastronom und engagierte sich in einer Initiative namens „Regionale Esskultur Lüneburger Heide“, die dann aber einschlief. Er kam auf mich zu und fragte mich, ob man da nicht etwas Neues auf die Beine stellen könne. Bei den anschließenden Recherchen fand ich nur regionale Initiativen und Label für Teilbereiche, wie z.B. Bio. In anderen Ländern wie Großbritannien, Schweiz oder den USA schon jahrelang etabliert, war und ist Nachhaltigkeit in der deutschen Gastronomie noch eine Nische. Um das zu ändern, entstand Greentable – der Wegweiser zum nachhaltigen Genuss.
Sehen Sie einen allgemeinen Trend, dass sich Restaurantgäste mehr und mehr für die Nachhaltigkeit des gastronomischen Angebots interessieren?
In einer aktuellen Studie des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) in Kooperation mit gv-praxis und foodservice ist eine der Kernbotschaften, dass jeder zweite Gast beim Essen außer Haus Wert auf Nachhaltigkeit legt. Tendenz steigend! Die Studie bescheinigt allerdings auch einen Nachholbedarf in der Kundenkommunikation.
Bei Greentable arbeiten Sie mit einem umfassenden Kriterienkatalog, den Restaurants für eine Zertifizierung erfüllen müssen. Wie setzt sich dieser zusammen? Auf welcher Grundlage wurde er erstellt?
Unser Kriterienkatalog basiert auf 14 Handlungsfeldern der Bereiche Beschaffung, Umwelt und Gesellschaft. Die Anforderungen haben wir gemeinsam mit unserem Beirat entwickelt, zum dem unter anderem der WWF, das ISuN Institut für nachhaltige Ernährung Münster, Ernährungsexperten und Gastronomen gehören. Wichtig war uns, etwas Praktikables und Verständliches zu entwickeln. Etwas, das Gastronomen nicht vor unlösbare Aufgaben stellt, aber dennoch qualifizierbar ist. Wer seinen Betrieb kennt, braucht nicht mehr als ein oder zwei Stunden Zeit zum Ausfüllen. Insgesamt sind 50 Fragen zu beantworten, von denen zwölf das sogenannte Nachhaltigkeitsprofil bilden. Dieses wird auch veröffentlicht. So kann der Gast gleich sehen, ob das Restaurant beispielsweise mindestens drei vegetarische Hauptgerichte oder kleine Portionen anbietet.
Und wie stellen Sie sicher, dass die Kriterien von den teilnehmenden Betrieben auch langfristig eingehalten werden?
Diese Frage hat uns lange beschäftigt. Glaubwürdigkeit und Transparenz sind natürlich das A und O einer Auszeichnung. Wir wollen ja kein beliebiges Green-Labeling, sondern etwas Vertrauenswürdiges, auf das der Gast sich verlassen kann. Das Modell einer Erstinspektion mit jährlichen Audits, wie z.B. bei QM-Systemen, ist gerade für kleine Gastronomen nicht finanzierbar und vom Zeitaufwand nicht zu schaffen. Anfänglich haben wir auf eine unterschriebene Selbsterklärung und Gästefeedbacks gesetzt. Das reicht aber heutzutage nicht, um die Glaubwürdigkeit beim Verbraucher zu erreichen. Die Herausforderung war also, einen transparenten und glaubwürdigen Prüfmechanismus zu finden, der für Gastronomen auch wirtschaftlich darstellbar ist. Unser zukünftiges Modell sieht vier Prüfmechanismen vor:
- die Selbsterklärung der gemachten Angaben inkl. etwaiger Nachweise (Bio-Zertifikat etc.),
- die Stichproben-Überprüfung der genannten Lieferanten
- die Gäste, die Anhand des veröffentlichten Nachhaltigkeitsprofils die Angaben prüfen können und
- ab 2017 ein risikobasiertes Stichproben-Monitoring durch ein akkreditiertes unabhängiges Prüfunternehmen
Das bedeutet, dass jährlich die Wurzel der Mitglieder (ca. 10%) vor Ort überprüft wird. Die Kosten werden auf alle Mitglieder umgelegt, so dass es für den einzelnen Betrieb unter 50 Euro im Jahr sind.
Wie läuft der Zertifizierungsprozess ab? Was muss ich tun als Gastronom oder Lieferant tun, um bei Greentable.de gelistet zu werden? Und was ist, wenn ich meinen Betrieb gerne nachhaltiger ausrichten würde, aber nicht weiß, wie?
Ganz einfach: Auf unserer Website findet man unter Mitmachen/Für Restaurants alles Wissenswerte zum Ablauf. Mit dem Kontaktformular kann man die Antragsunterlagen kostenlos anfordern und den Fragebogen ausfüllen. Dabei sieht man schon, wie nachhaltig man aufgestellt ist. Anhand der erreichten Punkte (mindestens 50%) kann man dann die Auszeichnung beantragen. Die Kosten belaufen sich dabei, abhängig von der Betriebsgröße, auf 19 bis 29 Euro im Monat. Also in etwa der Umsatz eines Gastes. Wir beraten natürlich auch selbst und über unser Partnernetzwerk, was man tun kann, um sich nachhaltig auszurichten. Mit unserem Fragebogen kann man schon in der Gründungsphase etliche Maßnahmen berücksichtigen.
Wie wird die Initiative von Gastronomen und Lieferanten bisher aufgenommen?
Ich möchte nichts schönreden. Wir haben mehr Interesse erwartet. Anfänglich dachten wir, es liege an den Kosten, aber selbst Aktionsangebote, mit denen das erste Jahr komplett kostenfrei ist, wurden kaum angenommen. Die häufigsten Antworten sind dabei: „Bringt nichts, interessiert den Gast nicht, zu aufwändig, keine Zeit“ Es sind leider noch sehr Wenige, die zukunftsorientiert denken und die vielfältigen Chancen sehen. In der Fachpresse wird zwar ständig über die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit gesprochen, aber das ist in der Breite der Gastronomie noch nicht so richtig angekommen. Im internationalen Vergleich haben wir da noch einiges aufzuholen. So gibt es in den USA, in Großbritannien und der Schweiz schon seit vielen Jahren ähnliche Auszeichnungssysteme, bei denen mittlerweile Tausende Betriebe mitmachen. Das spiegelt sich natürlich auch in der internationalen Gastronomieszene wieder: So findet seit 2012 der „Sustainable Restaurant Award“ im Rahmen des Wettbewerbs „The World’s 50 Best Restaurants“ statt, bei dem jährlich die weltweit zehn nachhaltigsten Restaurants prämiert werden. Da tauchen Restaurants aus Dänemark, Spanien, Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Brasilien, Peru, Chile, Niederlande, USA und Japan auf. Ein deutsches Restaurant war noch nie dabei.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Greentable.de?
In erster Linie wünsche ich mir, dass Greentable weitermachen kann. Wir sind zur Zeit auf der Suche nach Fördermitteln, ohne die wir nicht tragfähig sind. Wir brauchen gut 200 Mitglieder, um die laufenden Kosten zu decken. Bei aktuell 43 kann man sich ja schnell ausrechnen, wie groß das Minus ist. Wir sind ja kein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, sondern ein „Social Business Model“: Etwaige Gewinne fließen dabei in unseren gemeinnützigen Verein „Greentable Foundation“, der Projekte rund um die nachhaltige Ernährung initiiert, wie z.B. „Restlos genießen“, eine Gemeinschaftsaktion mit der Initiative „Zu gut für die Tonne!“ des BMEL. Dabei geht es um das Mitnehmen von Tellerresten in einer nachhaltigen Mitnahme-Box. Die Idee dazu stammt von Greentable und die gesamte Projektabwicklung wird unentgeltlich geleistet.
Und was für die Gastronomie und die Lieferketten dahinter?
Dass Gastronomen und Zulieferer das Potential von nachhaltigem Wirtschaften erkennen und sich Greentable anschließen, um ihr Engagement transparent und glaubwürdig zu kommunizieren und, organisiert, in einem ambitioniertem Netzwerk, die deutsche Gastronomielandschaft ein Stück weit „grüner“ machen.
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