Barcelona hat eine, London hat eine, Kopenhagen natürlich auch und seit einigen Jahren gibt es sie auch in Berlin wieder: eine feste Markthalle. Metzger, Bäcker, Gemüse- und Spezialitätenhändler stehen hier nebeneinander und bieten ihre Waren aus dem Umland feil. Imbiss-Buden (die man heutzutage ja Streetfood-Stände nennt) laden dazu ein, direkt vor Ort ein paar leckere Gerichte zu verspeisen. Wenn ich in einer der besagten Städte bin, zieht es mich immer auf diese Märkte. Und dann komme ich wieder zurück nach Hamburg… Hier haben wir zwar viele und schöne Wochenmärkte, aber die sind meistens entweder zu arbeitnehmer- oder langschläferunfreundlichen Zeiten. Eine ständige Markthalle würde das sicher komplettieren.
Ganz ähnlich sieht das auch Andreas Achtziger, der sich jetzt daran macht, diese Idee in die Tat umzusetzen. Und nicht nur das: Denn seine Markthalle soll die erste sein, die auch „Zero Waste“ ist – also ganz auf unnötigen Verpackungsmüll verzichtet. Appelhoff & Botterfatt soll die Halle heißen. Vor kurzem hat er dazu bei Startnext ein Crowdfunding gestartet und wirbt um Unterstützung. Da ich das Projekt wahnsinnig spannend und eine echte Bereicherung für Hamburg finde, habe ich ihm direkt noch ein paar Fragen dazu gestellt.
Herr Achtziger, was versteckt sich hinter dem Namen “Appelhoff & Botterfatt”?
Manche Ideen kommen einem im Schlaf, so war es auch beim Namen für die erste verpackungsfreie Markthalle. Appelhoff & Botterfatt beschreibt wunderbar den Kerngedanken des Projektes: frisches Obst vom Apfelhof und die Butter aus dem Butterfass symbolisieren das verpackungsfreie Einkaufserlebnis.
Wir haben hier in Hamburg viele und auch schöne Wochenmärkte. Braucht es da eine “feste” Markthalle?
Die Wochenmärkte haben auch alle Ihre Berechtigung und sind wundervolle Möglichkeiten seinen Einkauf zu erledigen. Ein ständiger Wochenmarkt in einer Markthalle ermöglicht all denen einen Markteinkauf, die zu den üblichen Marktzeiten nicht diese Möglichkeit haben. Zudem hat die geplante Markthalle ein Alleinstellungsmerkmal: den völligen Verzicht auf Plastik im Verkauf und die Zielsetzung, auch die Gastronomie „Zero Waste“ zu gestalten. So wird es Mehrweggeschirr geben und die möglichst vollständige Verwertung von Lebensmitteln bei den gastronomischen Konzepten. Eine Unterscheidung zu Wochenmärkten und auch anderen Markthallen wird ein integrierter verpackungsfreier Supermarkt sein. Zusätzlich zu einem Erlebniseinkauf und einem ständigen Wochenmarkt kann man in der geplanten Markthalle somit auch aus Trockenwaren, Hygiene- und Sanitärprodukten auswählen.
Der Zero Waste-Gedanke scheint ja tief in der Idee verwurzelt zu sein. Wäre nicht auch eine “normale” Markthalle denkbar, die versucht konsequent auf Nachhaltigkeit und Müllvermeidung zu setzen ohne das Thema überzustrapazieren?
Da stellt sich zunächst die Frage, wann ist ein Thema überstrapaziert? Auf dem Wochenmarkt kann man heute schon – bringt man eigene Behältnisse mit – weitest ohne Plastik einkaufen. In der Anlieferung wird derzeit kein völlig plastik- und verpackungsfreier Betrieb möglich sein, das wäre auch unrealistisch. Eine Markthalle, die aber konsequent auf Müllvermeidung setzt wäre in letzter Konsequenz eine Markthalle ohne Abfall, also eine Zero Waste Markthalle. Allerdings wird das Konzept nicht dogmatisch umgesetzt. Impulskäufer werden für Obst und Gemüse Papiertüten vorfinden, allerdings werden wir parallel Mehrwegbeutel anbieten und auf die Vorteile hinweisen. Ein paar Beutel, die man vielleicht sogar ständig dabei hat, nehmen nicht viel Platz in Anspruch. Bei Frischeprodukten dagegen sind Pfandlösungen in der Planung. Dass die Idee zukunftsweisend ist, sieht man alleine daran, wie schnell etablierte Supermärkte und Discounter derzeit auf den Zug aufspringen und sich an den Kundenwünschen orientieren.
Was finde ich neben dem reinen Marktbetrieb in der Halle? Gibt es Themenmärkte oder Veranstaltungen und Workshops mit Experten und Gastronomen, wie man es z.B. aus der Markthalle Neun in Berlin kennt?
Tatsächlich ist die Markthalle Neun eine der Markthallen, die als Vorlage für das Konzept dienten. Natürlich steht und fällt die Umsetzung aller konzeptionellen Ideen mit der verfügbaren Fläche. Für das Ziel ein Flair zu etablieren, wie man es aus Markthallen in Madrid, Paris oder Budapest kennt, benötigt man eine geeignete Fläche mit entsprechender Struktur und Größe. Generell sind vielfältige Veranstaltungen geplant, auch außerhalb der Zero Waste Bewegung. Es hat sich ja der Begriff der „Markthalle für alle Sinne“ etabliert. Ein erklärtes Ziel sind Veranstaltungen, bei denen jeder selber erleben kann, wie ein Brot entsteht oder Kaffee von der Bohne über die Röstung letztendlich in die eigene Tasse gelangt. So soll auch wieder ein Gefühl für das Handwerk dahinter entstehen und ein Lebensmittel Wertschätzung erfahren. Es laufen diesbezüglich auch bereits Gespräche, die derzeit dank des Crowdfunding an Fahrt aufnehmen.
Gibt es bereits einen Standort, der in Frage kommt? Was müsste die ideale Markthalle mitbringen?
Der ideale Standort wäre ein Standort mit sehr guter Anbindung an den ÖPNV und gleichzeitig verfügbaren Parkmöglichkeiten. Jemand, der verpackungsfrei einkauft wird oft eine Vielzahl von Behältern mit sich tragen und soll nicht weiter als 500 Meter zu einer Bushaltestelle oder zu U- und S-Bahn laufen müssen. Derzeit werden mir zusätzlich zu den drei potentiellen Standorten in Altona, Eimsbüttel und Hamm weitere interessante Objekte, die zum Teil noch in der Entwicklung sind, vorgeschlagen. Auch hier wirken sich die Medienberichte und das Crowdfunding aus. Um auf die Frage zur idealen Markthalle zurückzukommen: eine alte Fabrik, in der sich das gewünschte Konzept, also auch das Flair eines lebendigen Marktes etablieren lässt, dies wäre der Idealfall. Auch da ergeben sich derzeit neue Optionen. Ziel ist, Ende 2017 einen Standort gefunden zu haben und Mitte 2018 mit mindestens einem Basisbetrieb starten zu können. Der verpackungsfreie Supermarkt dürfte da als erstes fertiggestellt sein.
Wie ist das Feedback auf Produzentenseite? Besteht ein reges Interesse an einer Markthalle wie in Ihrem Konzept skizziert?
Durchaus. Auch hier muss man erwähnen: Nach den bisherigen Print- und TV Beiträgen setze eine gewisse Dynamik ein. Das Ziel ist ja auch die Unterstützung kleinerer Landwirte aus dem Umland. Diese sollen bereits fertig gestellte Marktstände vorfinden und gegebenenfalls im Rotationsprinzip mit weiteren Anbietern in der Markthalle präsent sein. Auf Produzentenseite gibt es zudem einige neue Konzepte, die sich gut integrieren lassen. So stellen auch einige Lieferanten ihre Sortimente so um, dass diese in verpackungsfreien Läden verkauft werden können.
Sie suchen gerade ja per Crowdfunding nach Supportern für das Projekt. Kann man das Projekt darüber hinaus auch anderweitig unterstützen?
Während der Laufzeit des Crowdfunding wäre tatsächlich eine Unterstützung des Projektes bei startnext.com/zerowaste-markthalle am interessantesten. Hier geht es auch weniger um zu erreichende Finanzmittel, sondern um Marketing, PR und Argumentationen. Je mehr Menschen dort mitmachen, desto besser. Denn das zeigt, dass das Projekt auch bei den Hamburgern gewünscht ist. Für seriöse Investoren ist das Projekt aber durchaus offen.
Was machen Sie, wenn über das Crowdfunding nicht genügend Kapital zusammenkommen sollte? Gibt es einen Plan B?
Ich verstehe die Frage nicht (lacht). Ich bin selbstverständlich davon überzeugt, dass beim Crowdfunding die Fundingschwelle geknackt wird. Zudem gab es bereits zu Beginn des Jahres Gespräche mit Banken. Die gesamte Investition wird auch nicht durch das Crowdfunding abgedeckt, da sind eigene Rücklagen, Banken oder auch Investoren, die zum Zuge kommen. Man darf eines nicht unterschätzen: Ein Crowdfunding hat einen gewaltigen PR-Effekt, wenn es sich um ein interessantes und unterstützenswertes Projekt handelt. Und um das handelt es sich!
Abgesehen von der Markthalle und deren Realisierung: Was würden Sie sich ganz allgemein von Verbraucher- wie auch Produzentenseite wünschen?
Wir stehen alle jeden Tag vor Herausforderungen in Sachen Müllvermeidung und Plastikvermeidung. Viele Menschen sind sich der Folgen unseres Konsumverhaltens ja durchaus bewusst, man muss uns allen aber von Produzentenseite mehr entgegenkommen, die natürliche Bequemlichkeit von Ihnen und mir nicht mit immer mehr Verpackungen zu unterstützen. Viele Produkte sind zudem Ergebnisse von Marktforschungsabteilungen, die immer neue Produkte entwickeln, um neue Märkte zu erschließen. Das ist ein generelles Thema in unserem Wirtschaftssystem und führt zu philosophischen Grundsatzdiskussionen. Ein Anfang wäre schon gemacht, würden viel mehr verpackungsarme Lösungen entwickelt. Verpackung dient als Präsentation im Laden, für den einfachen Transport, dem Schutz des Inhaltes und als Schutz vor Diebstahl. Eine Marke lässt sich aber auch anders präsentieren. Etwas, was ich mit dem Konzept erreichen möchte, ist eine sinnvolle Markenpräsentation mit verpackungsfreien Produkten. Was ich mir allerdings wirklich kurzfristig wünschen würde: mehr Getränke in Glasflaschen und sinnvollen Mengeneinheiten. Dies erfordert allerdings Umstellungen in der Produktion bei den Herstellern. Wir als Verbraucher können vieles hinterfragen und so zu einem Wandel beitragen – und öfters mal eigene Beutel und Taschen für den Einkauf mit uns tragen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wer Appelhoff & Botterfatt unterstützen möchte, kann das noch bis zum 17.08. unter https://www.startnext.com/zerowaste-markthalle tun. Mehr Informationen zur Vision der ersten verpackungsfreien Markthalle findet ihr auf der dazugehörigen Website: https://appelhoff-botterfatt.de/
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